Was tun gegen rechts! Rede Uli Rodewald am Auschwitz-Tag im Markgräflerland
Liebe Freundinnen und Freunde, wir sind heute hier zusammengekommen, um zum 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz der Opfer zu gedenken und darüber ins Gespräch zu kommen, was wir heute tun können gegen Rechts, gegen alte und neue Nazis, gegen menschenfeindliche Politik. Die deutschen Besatzer benannten die 14.000-Einwohner-Stadt Oświęcim in »Auschwitz« um, vertrieben die polnische Bevölkerung und verbrachten die jüdische in Ghettos. |
Gedenkstein an dem Ort, an dem in Auschwitz-Birkenau die Gaskammern standen |
Eingangstor zum Vernichtungslager Auschwitz mit der menschenverachtenden Aufschrift: "Arbeit macht frei" |
Und sie internierten zuerst Tausende Polen, die im annektierten Gebiet festgenommen worden waren. Die SS hatte die Mannschafts- und Stallgebäude einer ehemaligen polnischen Kaserne in ein KZ umfunktioniert.
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m 27.01.1945 befreiten sowjetische Soldaten das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Damit endete dort eines der schlimmsten Kapitel des beispiellosen Menschheitsverbrechens durch die Nazis. Seitdem steht "Auschwitz" für millionenfachen Mord , begründet mit einer menschenverachtenden Ideologie. Im Herbst 1941 kam es zur ersten Morden durch Giftgas. Insgesamt wurden in Auschwitz etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet: rund 1 Million Jüdinnen und Juden, ca. 21.000 Roma und Sinti, 15.000 sowjetische Kriegsgefangene und mehr als 80.000 aus politischen und anderen Gründen nach Auschwitz Deportierte. |
Opfer der Nazis waren vor allem, aber nicht nur jüdische Menschen. Sie wurden Opfer der Nazis, weil es in der Weimarer Republik zu wenige gab, die sich den Nazis entgegenstellten: ": "Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf ...". (Erich Kästner) Wir wollen nicht, daß aus den rechten und faschistoiden Bewegungen hier bei uns oder anderswo eine Lawine wird, die Menschen vernichtet. Wer von den Opfern spricht, darf von den Tätern nicht schweigen. Den Nazis wurde zur Macht verholfen, weil die Oberen in Deutschland meinten, nur so ihre Macht erhalten zu können. |
Auschwitz steht auch für ein besonders verwerfliches Zusammenspiel zwischen der deutschen Industrie und dem nationalsozialistischen Staat. Wirtschaftliche Interessen und völkischer Vernichtungswille gingen im System der Zwangsarbeit eine Symbiose ein, die im eigens zu diesem Zweck geschaffenen Konzentrationslager Auschwitz-Monowitz ihren Gipfelpunkt fand. Hier errichtete der führende Chemiekonzern I.G. Farben eine gigantische Produktionsanlage, die von Zwangsarbeiter*innen des KZ gebaut werden musste. |
Blick auf das ehemalige Lager Auschwitz III: Monowitz |
Mahnmal für die Menschen, die in Auschwitz-Monowitz durch Zwangsarbeit ermordet wurden |
Mit der Befreiung endete aber nicht die Geschichte – Leugnung und Verdrängung prägten über Jahrzehnte die Debatte über das Verhältnis und die Verantwortung der Wirtschaft zum nationalsozialistischen Staat. Erst in den 1990er Jahren begann die Wirtschaft sich zögerlich ihrer Verantwortung zu stellen. |
Dabei war die Zwangsarbeit nicht auf die großen Konzerne und die Konzentrationslager beschränkt. Sie war über alle Wirtschaftszweige und Unternehmensgrößen vorhanden: So gab es in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges keinen Betrieb, der nicht Zwangsarbeiterinnen eingesetzt hat; auch Bauernhöfe und Privatpersonen profitierten von der kostenlosen Arbeitskraft der ins Reich verschleppten Menschen. Einer von ihnen war der polnische Zwangsarbeiter Julian Garlewicz, der 1942 von den Nazis in Niederweiler gehängt wurde, weil er eine deutsche Frau liebte. |
Gedenktafel für den 1942 von den Nazis ermordeten polnischen Zwangsarbeiter ► Julian Garlewicz auf dem Frioedhof in Müllheim-Niederweiler |
Anne-Katrin Vetter und ich vom Friedensrat haben uns in den letzten Jahren aufgemacht, Orte der Nazi-Verbrechen in ► Frankreich, Italien und Polen aufzusuchen. |
Wir haben in Auschwitz die ungeheuren Ausmaße der Verbrechen dieses Vernichtungslagers gesehen. |
Wir hatten die Gelegenheit, mit dem Vorsitzenden der polnischen Roma Union im Roma Museum in Auschwitz uns auszutauschen über die Verfolgung von Roma und Sinti durch die Nazis.
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Wir haben in Izbica den ehemaligen jüdischen Friedhof aufgesucht, und an Frieda Schwab und Isaac Günzburger aus Müllheim erinnert, die dort von den Nazis zusammen mit anderen tausenden Menschen ermordet wurden.
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Wir waren in dem ehemaligen Vernichtungslager Sobibor, in dem Hermine Snadorfer und Elise Landauer aus Müllheim ermordet wurden, weil sie Jüdinnen waren. |
Wir waren in Treblinka, einem weiteren Vernichtungslager der Nazis, in dem Moritz Maier aus Müllheim von den Nazis ermordet wurde.
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In Tschechien haben wir Theresienstadt, das heutige Terezin, aufgesucht. Dort hatten die Nazis ein Konzenztrationslager eingerichtet, dass sie auch der internationalen Öffentlichkeit als ein Lager vorstellten, in dem die Insassen ein gutes Leben hätten.
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Wir haben in Frankreich das
► Lager Gurs
aufgesucht, in das die badischen jüdische Bevölkerung deportiert wurde. Auch Menschen aus Müllheim sind dort ermordet worden. Elise Willstätter gehört zu ihnen. Und einige jüdische Menschen aus Müllheim sind aus Gurs, wie viele andere, in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet worden. Alle ihre Namen sind auf den Schals mit dem gelben Stern, mit dem die Nazis die jüdischen Menschen brandmarkten, verzeichnet. |
Grabstein für Elise Willstätter auf dem Friedhof in Gurs |
Das Haus der Kinder von Izieu |
Und wir waren in
►Izieu
, einem kleinen Ort im Rhonetal. In einem Kinderheim versuchten Menschen jüdische Kinder vor ihrer Vernichtung zu retten. Es gelang ihnen nicht. Am 7. April wurden die Kinder und die sie beschützenden Erwachsenen von der Gestapo verhaftet, nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Ihre Namen und ihre Lebensdaten sind dort auf den Schals unter ihren Fotos zu lesen. |
Wir wollen aber auch sprechen von den Menschen, die sich mutig den Nazis entgegenstellten und dafür ermordet wurden oder in Konzentrationslager oder Zuchthäuser eingesperrt wurden. Oder Wege fanden, den Verfolgten des Nazi-Regimes zum Überleben zu verhelfen. |
Namen von Menschen, die uns durch ihr Tun Mut machen, sich dem vermeindlich Unvermeidlichen entgegen zu stellen und Menschlichkeit zu bewahren. Dies sollen und wollen wir auch gegenwärtig tun: Unsere Menschlichkeit bewahren in einer Zeit, in der Rassismus und Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit, Ausgrenzung sozial benachteiligter Menschen immer breiteren Raum einnehmen. Um es mit Max Mannheimer, einem jüdischen Überlebenden des Holocaust zu sagen |
Und das geschieht bei uns. In Deutschland. Im Markgräflerland. Im vergangenen Jahr sind mit Stichtag 30. November laut ►Bundesregierung insgesamt 33.963 Delikte der politisch rechts motivierten Kriminalität verzeichnet worden. Davon waren 1.136 Gewaltdelikte. Darunter befanden sich den Angaben zufolge fünf versuchte Tötungsdelikte, 988 Körperverletzungen, 17 Brandstiftungen und drei Sprengstoffdelikte. Das heißt: Im vergangenen Jahr gab es täglich 100 Delikte rechter Kriminalität, jeden Tag wenigsten 3 Gewaltdelikte wie Körperverletzungen. Auch wenn diese politische rechts motivierte Kriminalität in der öffentlichen Berichterstattung kaum eine Rolle spielt, sie findet statt. |
Es ist so oft beschrieben worden, dass es wehtut, es zu wiederholen: Wer Ton und Inhalt der Extremisten übernimmt, lenkt die Leute nur dorthin. Die CDU formuliert inzwischen eine Politik, die sich kaum noch unterscheidet der rechten Demokratie - und Menschlichkeitsverächter. Auf uns, denen Demokratie und Menschlichkeit nicht gleichgfültig ist, kommt es an. Jede und jeder von uns kann etwas tun gegen rechts, gegen die wachsende Menschenfeindlichkeit in unserem Land. Denn dies bedeutet rechts: Menschenfeindlichkeit im Gewande des Nationalen oder Patriotischen. Setzen wir ihnen unseren Einsatz für Menschlichkeit entgegen. Konsequent. Jeden Tag.
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Müllheim gegen rechts! Keine Zusammenarbeit mit der AfD Kundgebung des Friedensrats Markgräflerland am 1. Februar 2025 in Müllheim |
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