Offener Brief an Michael Sommer
Lieber Michael Sommer, Müllheim, 12. Februar 2012
sicherlich erinnerst du dich. Mai 1975. Freie Univerität Berlin. Du studiertest am OSI (Otto Suhr Institut), ich an der WiSo (Wirtschaftwissenschaftliche Fakultät). Du warst bei der ADSPol, ich bei der ADSÖk. ADS stand für Aktionsgenmeinschaft von Demokraten und Sozialisten.
Wir waren – na klar – jünger. Und: Wir wollten die Welt verändern. Nicht irgendwie, sondern zum Besseren für die Vielzahl der Menschen in unserem Land. Gemeinsam mit ihnen. Vor allem wollten wir: Eine Welt ohne Krieg und: Von Deutschland solle nie wieder Krieg ausgehen.
30 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, der zuviele Opfer forderte, stritten wir gemeinsam für eine Welt in Frieden. Deshalb war/ist uns ein Tag wie der 1.September bedeutsam: Nie wieder Krieg. Deshalb heißt es im Grundsatzprogramm unseres DGB: „Soziale, ökonomische und ökologische Konflikte müssen auf zivilem Wege ohne militärische Gewalt gelöst werden.“
Inzwischen haben wir uns aus den Augen verloren. Du wurdest Vorsitzender des DGB. Ich bin Betriebsrat und stellvertretender Vorsitzender des DGB Kreises Markgräflerland.
Du lebst in Berlin, ich in Müllheim. Allerdings stehen beide Orte - und so auch wir - in unmittelbarer Beziehung: In Müllheim ist der Stab der Deutsch-Französischen Brigade stationiert. Dieser militärischer Grossverband ist dafür aufgestellt, Kriege in aller Welt zu führen. Wenn denn die Oberen in Berlin so verfügen, dann werden blutjunge Menschen von Müllheim aus in neue Krieg geschickt.
Gewerkschafter und Friedenbewegte treten in Müllheim der Militarisierung der Politik entgegen. Sie (wir) wollen keine Politik, die Kriege als Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln begreift.
Umso mehr haben uns deine/die Verlautbarungen nach deinem Treffen mit dem Bundesverteidigungsminister De Maizière, zu dem du Initiative ergriffen hast, entsetzt.
Nicht reflexartig, weil es nicht statthaft ist, mit Kriegsbefürwortern Gespräche zu führen. Man (wir) müssen immer Gespräche führen.
Entsetzt hat mich, dass nun auch für dich Kriege als Fortsetzung der Politik zwar nicht schön, aber unumgänglich erscheinen. Und sie zumindest der Mitbestimmung unterliegen sollten.
Wie sich dies mit der gewerkschaftlichen Forderung: Nie wieder Krieg! vereinbaren lassen soll, ist mir unverständlich.
Lieber Michael Sommer,
dich erreicht dieser Brief als öffentlicher, weil ja auch du vor die Presse getreten bist, ohne mich zu fragen, was ich denn von deinen Äusserungen zu Fragen von Krieg und Frieden halte.
Vielleicht (hoffentlich) habe ich deine Ausführungen überhaupt falsch verstanden. Um die möglichen Mißverständnisse auszuräumen, lade ich dich herzlich nach Müllheim ein, damit wir diese Problematik durchaus öffentlich bereden können.
Mit kollegialen Grüßen
Uli Rodewald
Betriebs- & Friedensrat