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22. Juni 1941:Überfall Nazi Deutschlands auf die Sowjetunion

Auch wenn heute die Regierenden Russlands einen durch nichts zu rechtfertigenden Krieg um die Ukraine führen nimmt der Friedensrat Markgräflerland den 83. Jahrestag des Überfalls Nazi Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 zum Anlass, um an diesen Völkermord im Osten zu erinnern.

Vor 83 Jahren, am 22. Juni 1941, fiel die  Wehrmacht der Nazis in die Sowjetunion ein. Die Nazis wollten einen „Vernichtungskampf“.

27 Millionen Menschen  aus den Ländern der Sowjetunion – „slawische Untermenschen“ im Jargon der Nazis - wurden erschossen und verbrannt, in den Vernichtungslagern gefoltert und ermordet. Sie wurden Opfer des anderen deutschen Völkermords, der in Deutschland weitgehend geleugnet oder missachtet wird.

Bis Kriegsende nimmt die Wehrmacht etwa 5,7 Millionen Soldaten und Soldatinnen der Roten Armee gefangen. Ihre Behandlung ist verbrecherisch. Dabei spielen antikommunistische und rassistische Einstellungen ebenso eine Rolle wie militärische und wirtschaftliche Interessen des NS-Regimes. Insgesamt kommen mehr als drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene um. Eine Vielzahl von ihnen wird erschossen. Die meisten sterben aufgrund einer völlig unzureichenden Versorgung an Hunger und Krankheiten, vor allem bis zum Frühjahr 1942. Auch in Müllheim.

Mit mehr als drei Millionen Toten sind die sowjetischen Kriegsgefangenen eine der größten Opfergruppen deutscher Massenverbrechen. Dennoch wird bis heute kaum an sie erinnert.

Das Nazi Organ "Völkischer Beobachter" vom 10.Oktober 1941

Auch in in Müllheim gab es  "Russenlager", eines davon in der geschändeten jüdischen Synagoge, ► ein anderes beim Bauunternehmer Hehl , der wegen seiner Beteiligung an dem Pogrom gegen jüdische Menschen in Müllheim am 9. November 1938  Ende des Krieges von einem französischen Gericht zu einer 10jährigen Gefängsnisstrafe verurteilt wurde. Seine Verbrechen gegen sowjetische Zwangsarbeiter blieben ungesühnt.

Im Staatsarchiv Freiburg findet sich ein Akt mit diesem Titel:
"Auflistung der mit russischen Gefangenen zum Arbeitseinsatz ausgestatteten Firmen im Landkreis Müllheim/1942-1944

Die Akte verzeichnet Einsätze vom 23.11.1942 bis zum 23.November 1944. Preussisch-deutsch wurde da über den Einsatz von Kriegsgefangenen Buch geführt:Aufgeführt ist der Tag des Einsatzes, die „Zahl der Russen“, die Empfänger Firma, deren Sitz, und eine Bestätigung über den „Empfang der Besch(äftigten).

Buchführung über den Einsatz von sowjetischen Zwangsarbeitern bei Firmen im Markgräflerland

In dieser Zeit sind 321 Einsätze von 930 Zwangsarbeitern dokumentiert.

Und in den Arolsen Archiven findet sich dieses Schriftstück:

Auf unsere Nachfrage antwortete das Stadtarchiv Müllheim:

Nach Angabe des damaligen Schutzpolizeimeisters Josef Gür sind einige sowjetische Kriegsgefangene aus dem Lager des Bahnbauunternehmers Heinrich Hehl "gestorben und auf dem Juden-Friedhof beerdigt worden."
Nach Aussagen von Hehl sei 2 Wochen nach Ankunft der Gefangenen am 4.10.1941 ein Gefangener gestorben. Diesen Toten habe er auf dem Jüdischen Friedhof beerdigen lassen. Ein weiterer sei auf dem Friedhof in Eschbach beerdigt, drei weiterer wurden in die Anatomie Freiburg verbracht. Auf Rückfrage Gürs beim damaligen Leichenschauer Hecker bestätigte dieser jedoch den Tod eines weiteren sowjetischen Kriegsgefangenen aus dem Lager Hehl, der ebenfalls auf dem Jüdischen Friedhof begraben wurde.
Wir wissen also von zumindest 5 Menschen mit sowjetischer Staatsangehörigkeit, darunter 2 Kinder, die in Müllheim während des Zweiten Weltkrieges umgekommen sind.
Zwei davon sind namentlich bekannt: Boris Lapin wurde am 22.01.1944 in Tübingen geboren und starb am 30.12. 1944 in Müllheim. Michail Horuschy, geboren am 1.1.1919 in Lantratowka im Gebiet vom heutigen Luhansk, kam am 2. Oktober 1941 in Müllheim um.
Auf damalige Anordnung der Militärregierung sind diese Opfer am 30. März 1950 exhumiert und auf einem Ehrenfeld auf dem Hauptfriedhof in Friedrichshafen bestattet worden.

Foto: Friedensrat Markgräflerland

Der am 4. März 1950 im Auftrag der Sowjetunion am Südrand des sowjetischen Ehrenfeldes errichtete Sandsteinblock trägt in kyrillischen Buchstaben
die Inschrift: „Hier sind 450 sowjetische Bürger begraben,
umgekommen in faschistischer Sklaverei. Ewigen Ruhm den
Kämpfern für die Freiheit!“ Gleichzeitig wurde dieses Feld,
auf dem heute noch 114 Friedrichshafener Kriegstote aus der
Sowjetunion ruhen, durch Umbettung von 339 weiteren Toten aus insgesamt 60 Gemeinden Südbadens, Südwürttembergs und des Kreises Lindau zu einem Sammel-Ehrenfeld erweitert: Ehrenfeld für 453 in Süddeutschland ums Leben gekommene Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion.

► Informationen zum Ehrenfeld 32 in Friedrichshafen hier

EHRENFELD
FÜR 453 IN SÜDDEUTSCHLAND UMS LEBEN GEKOMMENE
BÜRGERINNEN UND BÜRGER DER SOWJETUNION

IM ZWEITEN WELTKRIEG MUSSTEN ÜBER 5000 MENSCHEN
AUS DER SOWJETUNION
IN DER FRIEDRCHSHAFENER KRIEGSWIRTSCHAFT ARBEITEN
ES WAREN VERSCHLEPPTE UND KRIEGSGEFANGENE

116 SIND IN DEN JAHREN 1941 BIS 1945 UMGEKOMMEN UND RU-
HEN IN DIESEM GRÄBERFELD; ZUSAMMEN MIT 337 SOWJETI-
SCHEN KRIEGSTOTEN AUS 80 WEITEREN ORTEN SÜDBADENS,
SÜDWÜRTTEMBERGS UND DES KREISES LINDAU:

DER GEDENKSTEIN WURDE VON DER SOWJETUNION
1950 ERRICHTET

Foto: Friedensrat Markgräflerland

Foto: Friedensrat Markgräflerland

Auf Tafeln entlang des Gräberfelds sind die Namen und Lebensdaten der Toten aufgeführt, soweit sie ermittelt werden konnten.

Aufgeführt unter der Nr. 1357 ist auch

Boris Lapin,

geboren am 22.01.1944 in Tübingen

gestorben am 31.12.1944 in Müllheim

Foto: Friedensrat Markgräflerland

Foto: Friedensrat Markgräflerland

Unter der Nr. 1363 ist begraben

Michail Goruschy

geboren am 1.1.1919 in Lantratowka                      

gestorben am 2. 10. 1941 in Müllheim

Unter der Nr. 1365  ist ein Mensch begraben dessen Name nicht ermittelt werden konnte. Bekannt ist sein Todesdatum: Er starb am 9. April 1945 in Müllheim. Ein weiterer Sowjetbürger, der in Müllheim umkam und dessen Lebensdaten nicht bekannt sind ist unter der Nr. 1376 bestattet.

Der Sieg über die Nazis wurde von den Menschen der Sowjetunion teuer erkauft:  27 Millionen von ihnen, in der Mehrheit Zivilisten, haben ihn nicht mehr erlebt. In der relativ kleinen weißrussischen Sowjetrepublik, dem heutigen Belarus, die als erste dem Überfall ausgesetzt war, machten die Deutschen fast 1000 Dörfer und Städte dem Erdboden gleich; über ein Viertel der Bevölkerung fiel dort den Mordaktionen von Wehrmacht und SS zum Opfer. Mindestens 800.000 Einwohner Leningrads verhungerten bei der Belagerung ihrer Stadt vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944. Mehr als die Hälfte der 5,7 Millionen in die Fänge der Wehrmacht geratenen Rotarmisten kamen in deutscher Kriegsgefangenschaft um.

 

27 Millionen Menschen – „slawische Untermenschen“ im Jargon der Nazis: das war der andere deutsche Völkermord, der  in Deutschland weitgehend geleugnet oder missachtet wird. Angesichts des durch nichts zu rechtfertigenden Krieg Russlands um die Ukraine, meint sich mancher heutige deutsche Politiker frei machen zu können von den Mordtaten der Nazis. Manchmal mag man gar den Eindruck gewinnen, dass viele unserer Politiker daran arbeiten, sei‘s bewusst oder unbewusst, die alten, von den Nazis übernommenen antirussischen Ressentiments zu reaktivieren.

Heute werden die russischen Panzer von den Urenkeln der Frauen und Männer gesteuert, die gemeinsam mit ihren ukrainischen Kampfgefährten unter unvorstellbaren Opfern die Sowjetunion verteidigten, die Hitlerwehrmacht niederrangen und die Hauptlast bei der Befreiung Europas vom Faschismus trugen.

Umso mehr "ergibt sich zwingend die Frage: Wäre es nicht für die Menschheit Zeit, Kriege grundsätzlich abzulehnen und auf Verhältnisse gegenseitiger Achtung überzugehen, bei denen alle auch noch so komplizierten Fragen friedlich gelöst werden?"

Boris Popov , Soldat der Roten Armee und Kriegsgefangener in Deutschland 2013 in einer Berliner Schule auf die Frage, was er fühlt, wenn er an die Gefangenschaft denkt

"Unternehmen Barbarossa"

Die Nazis und ihre Wehrmacht zogen eine Blutspur durch die Sowjetunion"

 

Einige Adressen zum Vertiefen:

► An Unrecht erinnern

► Rede des Bundespräsidenten Steinmeier anlässlich des 80. Jahrestages des Überfalls Nazi Deutschlands auf die Sowjetunion

► Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der "Linken" zum Gedenken der Bundesregierung anlässlich des Überfalls Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion

 

 

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