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Rudolf Jacobs - Von der Nazi-Wehrmacht zu den Partisanen

Ab und zu sind wir auf Tour. Wir spüren Vergangenem nach und spüren Neues auf.
Manches (Gedachte) wird durch das Erlebte verständlicher.
Neue Ideen werden geboren. Und uns wird - gerade nach dem Erstarken der AfD, die den antifaschistischen Konsens der Bundesrepublik aufkündigt und mehr und mehr Unterstützung und immer weniger Protest findet, noch klarer:
Erinnern heißt: HANDELN GEGEN RECHTS!!!!!!!!!!!!

Unser jüngster Aufenthalt in Italien, deren Ministerpräsidentin eine bekennende NeoFaschistin ist!!!!!, führte uns auch nach Sarzana, einer Kleinstadt am Fluss Magra in der Provinz La Spezia in Ligurien. Bei unserem Stadtrundgang stießen wir auf diese Gedenktafel:

Foto: Friedensrat Markgräflerland

Der Text lautet:

Nicht Abtrünnigkeit, sondern heldenhaftes Aufbegehren führte den von der Gerechtigkeitsgöttin erleuchteten und von der Unterwerfung unter die bestialische teutonische Raserei befreiten Hauptmann der deutschen Marine, Rudolf Jacobs, genannt Primo, in die Reihen der Partisanen von Sarzana, um sich am 3. November 1944 für Italien, für die Freiheit seiner ideellen Heimat, zu opfern.


Die Zivilverwaltung errichtete diese Gedenktafel am Ort des Opfergangs
29. November 1953

(danke an Udo Sürer für die Übersetzungshilfe)

Was hat es auf sich mit dieser Tafel und wer war Rudolf Jacobs?

Rudolf Jacobs wurde am  14.04.1914 in Bre­men als Sohn des Bre­mer Ar­chi­tek­ten Ru­dolf Ja­cobs se­ni­or (Haus am Markt, Park­ho­tel, Nord­deut­scher Lloyd) und des­sen Ehe­frau Frie­da, ge­bo­re­ne Ro­sen­thal, geboren. Er wuchs in ei­nem li­be­ra­len El­tern­haus auf. Sein Vater überredete ihn, nach bestandenem Abitur am Bremer Real-Gymnasium 1932 in die Handelsmarine einzutreten, um ihn vor dem aufkommenden Nationalsozialismus zu schützen und so sich auch dem Wehr­dienst zu ent­zie­hen. Spä­ter stu­dier­te er Bau­we­sen und Ar­chi­tek­tur an den Tech­ni­schen Hoch­schu­len Han­no­ver und Braun­schweig.

1936 hei­ra­te­te Ru­dolf Ja­cobs. Aus der Ehe stam­men zwei Söh­ne.

Rudolf Jacobs

          Foto: Friedensrat Markgräflerland

Ausstellung zum Tag der Befreiung am 25. April 2023 in Sarzana.

Auf dieser Tafel heisst es:

Kapitän Rudolph Jacobs „Primo“ trat ebenfalls der Brigade bei und verließ im September 1944 mit seinem Adjudanten die Wehrmacht.
Beide haben am 3. November bei einem von ihm selbst organisierten Angriff auf die faschistische Kaserne im Hotel Laurina in Sarzana ihr Leben gelassen.

 

1939 wurde Jacobs zum Kriegsdienst rekrutiert. Zunächst war er in Hamburg-Altona stationiert, später wurde er bei der Bauplanung des Westwalls eingesetzt. Er erwirkte jedoch seine Freistellung zum Abschluss seines Technikstudiums und legte 1940 erfolgreich die Ingenieurprüfung ab.

Über die „Or­ga­ni­sa­ti­on Todt“,  einer paramilitärischen Bautruppe der Nazis, wur­de er als In­ge­nieur für Fes­tungs­bau­ten im El­sass ver­pflich­tet. Dort ver­half er auf­grund sei­ner Ab­leh­nung der Na­zis be­reits jü­di­schen Kol­le­gen zur Flucht nach Frank­reich.
1942 kam er zur Kriegsmarine.  Im Herbst 1943 wurde er im Range eines Kapitänleutnants zum Ingenieurskorps der Kriegsmarine nach La Spezia in der norditalienischen Region Ligurien versetzt, wo er als leitender Offizier für den Festungsbau verantwortlich wurde.

In Italien setzte Jacobs sich für die Rechte der Zivilbevölkerung ein. Er sorgte unter anderem dafür, dass auf dem Schwarzmarkt beschlagnahmte Lebensmittel zu Festpreisen verkauft wurden. Außerdem beschaffte er auf Kosten der Wehrmacht Nahrungsmittel für die Bevölkerung. Die ver­bre­che­ri­schen An­grif­fe sei­tens der Wehr­macht ge­gen­über der ita­lie­ni­schen Zi­vil­be­völ­ke­rung ver­an­lass­ten Ja­cobs und sei­nen Ad­ju­dan­ten Johann Fritz zur Desertation. Beide schlossen sich im Herbst 1944 den Par­ti­sa­nen an­ und traten in die Ga­ri­bal­di-Bri­ga­de „Ugo Muc­ci­ni“ ein. 

Am 3. Oktober 1944 zeichnete er sich im Kampf gegen deutsche und italienische faschistische Soldaten aus. Danach erhielt er den Tarnnamen „Primo“ („Erster“). Eine weitere Aktion wurde von ihm am 3. November geleitet – Jacobs, Fritz, drei Sowjetbürger und fünf Italiener griffen in der nahe bei La Spezia gelegenen Kleinstadt Sarzana ein Hotel an, das als Kaserne benutzt wurde. Der Überraschungsangriff misslang und Jacobs wurde getötet.

Rudolf Jacobs - Von der Nazi-Wehrmacht zu den Partisanen

► Zum Leben von Rudolf Jacobs gibt es eine eindrucksvolle Sendung von Radio Bremen

Nach dem Krieg wurde Rudolf Jacobs in Italien vielfach geehrt, u.a. von der Gemeinde Sarzana mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft, einem Ehrengrab und einem Denkmal an der Piazza San Giorgio. In seiner Heimatstadt Bremen ist Rudolf Jacobs hingegen lange Jahre unbekannt geblieben. Die Internationalen Friedensschule Bremen, Angehörige der Familie und italienische Unterstützer haben 2010 erreicht, dass in Bremen-Vegesack neben dem Mahnmal für den „Unbekannten Deserteur“ eine Ehrentafel für Rudolf Jacobs angebracht wird. Der italienische Film „L’uomo che nacque morendo“ (Der Mensch, der im Sterben geboren wurde“) von Marina Piperno und Luigi M. Faccini wurde auf der Film-Biennale in Venedig 2011 preisgekrönt.

 

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