Rudolf Jacobs - Von der Nazi-Wehrmacht zu den Partisanen
Ab und zu sind wir auf Tour. Wir spüren Vergangenem nach und spüren Neues auf.
Manches (Gedachte) wird durch das Erlebte verständlicher.
Neue Ideen werden geboren. Und uns wird - gerade nach dem Erstarken der AfD, die den antifaschistischen Konsens der Bundesrepublik aufkündigt und mehr und mehr Unterstützung und immer weniger Protest findet, noch klarer:
Erinnern heißt: HANDELN GEGEN RECHTS!!!!!!!!!!!!
Unser jüngster Aufenthalt in Italien, deren Ministerpräsidentin eine bekennende NeoFaschistin ist!!!!!, führte uns auch nach Sarzana, einer Kleinstadt am Fluss Magra in der Provinz La Spezia in Ligurien. Bei unserem Stadtrundgang stießen wir auf diese Gedenktafel:
Foto: Friedensrat Markgräflerland |
Der Text lautet: Nicht Abtrünnigkeit, sondern heldenhaftes Aufbegehren führte den von der Gerechtigkeitsgöttin erleuchteten und von der Unterwerfung unter die bestialische teutonische Raserei befreiten Hauptmann der deutschen Marine, Rudolf Jacobs, genannt Primo, in die Reihen der Partisanen von Sarzana, um sich am 3. November 1944 für Italien, für die Freiheit seiner ideellen Heimat, zu opfern.
(danke an Udo Sürer für die Übersetzungshilfe) |
Was hat es auf sich mit dieser Tafel und wer war Rudolf Jacobs?
Rudolf Jacobs wurde am 14.04.1914 in Bremen als Sohn des Bremer Architekten Rudolf Jacobs senior (Haus am Markt, Parkhotel, Norddeutscher Lloyd) und dessen Ehefrau Frieda, geborene Rosenthal, geboren. Er wuchs in einem liberalen Elternhaus auf. Sein Vater überredete ihn, nach bestandenem Abitur am Bremer Real-Gymnasium 1932 in die Handelsmarine einzutreten, um ihn vor dem aufkommenden Nationalsozialismus zu schützen und so sich auch dem Wehrdienst zu entziehen. Später studierte er Bauwesen und Architektur an den Technischen Hochschulen Hannover und Braunschweig. 1936 heiratete Rudolf Jacobs. Aus der Ehe stammen zwei Söhne. |
Rudolf Jacobs |
Foto: Friedensrat Markgräflerland Ausstellung zum Tag der Befreiung am 25. April 2023 in Sarzana. Auf dieser Tafel heisst es: Kapitän Rudolph Jacobs „Primo“ trat ebenfalls der Brigade bei und verließ im September 1944 mit seinem Adjudanten die Wehrmacht.
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1939 wurde Jacobs zum Kriegsdienst rekrutiert. Zunächst war er in Hamburg-Altona stationiert, später wurde er bei der Bauplanung des Westwalls eingesetzt. Er erwirkte jedoch seine Freistellung zum Abschluss seines Technikstudiums und legte 1940 erfolgreich die Ingenieurprüfung ab. Über die „Organisation Todt“, einer paramilitärischen Bautruppe der Nazis, wurde er als Ingenieur für Festungsbauten im Elsass verpflichtet. Dort verhalf er aufgrund seiner Ablehnung der Nazis bereits jüdischen Kollegen zur Flucht nach Frankreich. |
In Italien setzte Jacobs sich für die Rechte der Zivilbevölkerung ein. Er sorgte unter anderem dafür, dass auf dem Schwarzmarkt beschlagnahmte Lebensmittel zu Festpreisen verkauft wurden. Außerdem beschaffte er auf Kosten der Wehrmacht Nahrungsmittel für die Bevölkerung. Die verbrecherischen Angriffe seitens der Wehrmacht gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung veranlassten Jacobs und seinen Adjudanten Johann Fritz zur Desertation. Beide schlossen sich im Herbst 1944 den Partisanen an und traten in die Garibaldi-Brigade „Ugo Muccini“ ein. Am 3. Oktober 1944 zeichnete er sich im Kampf gegen deutsche und italienische faschistische Soldaten aus. Danach erhielt er den Tarnnamen „Primo“ („Erster“). Eine weitere Aktion wurde von ihm am 3. November geleitet – Jacobs, Fritz, drei Sowjetbürger und fünf Italiener griffen in der nahe bei La Spezia gelegenen Kleinstadt Sarzana ein Hotel an, das als Kaserne benutzt wurde. Der Überraschungsangriff misslang und Jacobs wurde getötet. |
Rudolf Jacobs - Von der Nazi-Wehrmacht zu den Partisanen ► Zum Leben von Rudolf Jacobs gibt es eine eindrucksvolle Sendung von Radio Bremen |
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Nach dem Krieg wurde Rudolf Jacobs in Italien vielfach geehrt, u.a. von der Gemeinde Sarzana mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft, einem Ehrengrab und einem Denkmal an der Piazza San Giorgio. In seiner Heimatstadt Bremen ist Rudolf Jacobs hingegen lange Jahre unbekannt geblieben. Die Internationalen Friedensschule Bremen, Angehörige der Familie und italienische Unterstützer haben 2010 erreicht, dass in Bremen-Vegesack neben dem Mahnmal für den „Unbekannten Deserteur“ eine Ehrentafel für Rudolf Jacobs angebracht wird. Der italienische Film „L’uomo che nacque morendo“ (Der Mensch, der im Sterben geboren wurde“) von Marina Piperno und Luigi M. Faccini wurde auf der Film-Biennale in Venedig 2011 preisgekrönt. |