16. Mai: Gedenktag des Widerstands der Roma gegen ihre Vernichtung
16. Mai: International Roma Resistance Day
Gedenktag des Widerstands der Roma gegen ihre Vernichtung
In den Jahren der Nazis in Deutschland sollten Roma und Fahrende vernichtet werden. Vom Baltikum bis zum Balkan fielen Hunderttausende dem Faschismus zum Opfer. In Deutschland überlebten nur ein paar Tausend Sinti und Roma den Holocaust und die Konzentrationslager. Dennoch wurde die Frage der Massentötung von Roma bei den Nürnberger Prozessen nicht einmal aufgeworfen.
So stellte sich beispielsweise 1935 die Umgangsweise mit "Zigeunern" im Markgräflerland da:
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So stellt sich heute die Landschaft an Kilometer 238 der Bahnlinie in Müllheim dar, irgendwo hier liegt der Platz, den die Sinti und Roma für ihren Aufenthalt in Müllheim zugewiesen bekamen |
Am 16. Mai ist Roma Resistance Day! 1944 sollten an diesem Tag die in Auschwitz inhaftierten Sinti und Roma ermordet werden.
Mit dem internationalen Roma Resistance Day wird an diesen Widerstand erinnert.
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Im Zweiten Weltkrieg kämpften Roma und Sinti von Anfang an gegen den Entzug ihrer Rechte und ihre „rassische“ Erfassung. Sie protestierten gegen diskriminierende Regelungen und versuchten, die Freilassung deportierter Familienmitglieder durch Petitionen oder persönliche Intervention zu erreichen. Sie arbeiteten eng mit Widerstandsgruppen in den besetzten Gebieten zusammen. Sie spielten eine wichtige Rolle in den nationalen Befreiungsbewegungen, insbesondere in Ost- und Südosteuropa. Eine große Zahl von Roma und Sinti kam im bewaffneten Kampf gegen den Nationalsozialismus ums Leben. Roma und Sinti leisteten auch in den Konzentrationslagern verschiedene Formen des Widerstands. Ein Höhepunkt war der Aufstand im Lagerabschnitt BIIe von Auschwitz-Birkenau, dem “Z-Lager |
Am 16. Mai 1944 haben ca. 6000 Menschen – Männer, Frauen, Ältere und Kinder – sich in den Barracken des „Z-Familienlagers“ verbarrikadiert. Sie waren vom Widerstands-Netzwerk innerhalb des Lagers darüber informiert worden, dass das Lager nachts „liquidiert“ werden sollte. Daher entschlossen sie sich, dagegen zu kämpfen. Sie haben sich mit Werkzeugen, Steinen und vor allem mit Mut und Entschlossenheit der SS entgegengestellt, als diese kam, um sie in die Gaskammern zu bringen.
Ihr Widerstand ist nicht hoch genug zu schätzen. Nicht nur, dass es an diesem Tag den Nazis nicht gelang, diese Menschen zu ermorden. Ihr Widerstand führte auch dazu, dass vor endgültigen Vernichtung der Menschen am 2. August 1944 etwa 3000 von ihnen "aussortiert" und in andere Konzentrationslager überstellt wurden. So konnten zumindest sie die Vernichtung des "Zigeunerlagers" überleben.
Tomas Wald vom Roma Büro Freiburg schreibt uns dazu: Es bleibt hervorzuheben, dass sich der Widerstand der Menschen im "Zigeunerlager" gelohnt hat.
Die strukturelle und rechtliche Diskriminierung gegen Roma ist keine Sache der Vergangenheit. Auch heute noch kämpfen Roma weltweit um gleiche Rechte. Mehr und mehr Ethno-Nationalisten benutzen Roma als Sündenböcke für ökonomischen Abstieg und sämtliches Unglück. Inspiriert vom Widerstand dieser Menschen kämpfen wir weiter. Heute und morgen.
Dieses Museum in Auschwitz erinnert und mahnt an die Ermordung der Roma durch die Nazis
Dieses Museum in Auschwitz erinnert und mahnt an die Ermordung der Roma durch die Nazis |
Widerstand der Sinti und Roma in Auschwitz: "Wir kommen nicht raus!"Die vergessene Geschichte der Sinti und Roma Hugo Höllenreiner, einer der wenigen Überlebenden, berichtet über den Aufstand in Auschwitz-Birkenau im Mai 1944 Anja Tuckermann
Wenig ist bekannt über die Verfolgung der Sinti und Roma in der NS-Zeit. Auch aufgrund der fortgesetzten Diskriminierung nach dem Krieg gibt es kaum persönliche Berichte. Erst 1998 hat der Aufstand im "Zigeunerlager" Auschwitz Eingang gefunden in die Ausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. "Der Papa wusste ja, dass wir alle mit dabei waren, aber es ist nie drüber gesprochen worden. Nie. Und ich hab auch Angst gehabt, ich hab einen Kloß im Hals gehabt. Wenn er drüber gesprochen hätte, vielleicht hätte ich dann auch gesprochen, ich weiß es nicht." Erst vor wenigen Jahren hat der heute 70-jährige Sinto Hugo Höllenreiner begonnen, bei Gedenkfeiern und in Schulklassen über das zu sprechen, was er und seine Familie in den zwölf Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft zu erleiden hatten. Als er neun Jahre alt war, wurden er, die Eltern und fünf Geschwister, die Großeltern, mehrere Onkel und Tanten sowie deren Kinder, von München nach Auschwitz deportiert. Von einem Tag auf den anderen war die Kindheit vorbei. An die Jahre davor erinnert er sich nur noch vage. Er weiß noch, dass in der Pogromnacht 1938, da war er fünf, der Pferdestall und die Leiterwagen seines Vaters angezündet wurden. Die Pferde konnten sich losreißen. Sie waren die Existenzgrundlage der Familie, der Vater handelte mit Pferden und arbeitete als Fuhrunternehmer in München-Giesing. Ein Jahr später wurde er enteignet und zur Wehrmacht eingezogen, die Mutter blieb mit den Kindern mittellos zurück. Im Februar 1941 ordnete das Reichssicherheitshauptamt an, "daß Zigeunermischlinge mit auffälligem Einschlag von Zigeunerblut für die Ableistung des aktiven Wehrdienstes nicht geeignet sind." Der Vater wurde im November 1941 aus der Wehrmacht entlassen und musste zur Zwangsarbeit in den Straßenbau. Im Juli 1942 wurden auf Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht dann alle Sinti und Roma aus der Wehrmacht ausgeschlossen. Eines Nachts im März 1943 umstellten Polizisten das Haus und holten die Familie aus dem Schlaf. Sie wurde ins Polizeipräsidium gebracht, von dort in Viehwaggons gepfercht und ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau verschleppt. Als Hugo die Inschrift "Arbeit macht frei" las, dachte er: "Mein Papa kann arbeiten. Der holt uns hier raus." Aber als er miterlebte, wie brutal die SS-Männer zuschlugen und das Hungern begann, starb die Hoffnung. Im "Zigeunerlager" gab es kaum zu essen und kein Trinkwasser. Tausende von Menschen starben an Unterernährung, Krankheiten, den Misshandlungen der SS. Der kleine Hugo hatte jedes Zeitgefühl verloren. "Man denkt nur jede Minute, jetzt habe ich überlebt." Doch an einen Tag vor 60 Jahren erinnert er sich noch genau. Von der Baracke aus konnten sie durch die Ritzen des Oberlichtes die Rampe beobachten, wo Züge mit unzähligen Menschen ankamen, die oft direkt in die Gaskammern geschickt wurden. Die Sinti und Roma wussten, dass die SS dort jeden Tag Menschen ermordete. Hugos Vater musste die zurückgelassenen Sachen einsammeln, ein anderer Sinto die Toten aus den Gaskammern räumen. Und täglich sahen sie, wie die Flammen aus den Schornsteinen der Krematorien schossen - über dem ganzen Lager hing der Geruch von verbranntem Menschenfleisch. Am 15. Mai 1944 beschloss die Lagerleitung, das "Zigeunerlager" aufzulösen und alle Insassen umzubringen, um Platz für ungarische Juden zu schaffen. Laut Auschwitz-Kalendarium von Danuta Czech sei der Führer des "Zigeunerlagers", SS-Mann Bonigut, gegen die Entscheidung gewesen und habe einige Blockälteste gewarnt, damit sie sich nicht lebend auslieferten. Am Abend des 16. Mai wurde "Blocksperre" angeordnet, niemand durfte die Baracken verlassen. Hugo Höllenreiner erinnert sich: "Es hat geheißen, das ganze Lager wird vergast. Wir waren hinten, von uns aus gab es noch drei Baracken. Das waren Zugangsblöcke für die Neuankömmlinge, wo ihnen die Nummern auf den Arm tätowiert wurden, bevor sie in andere Blöcke kamen. Die drei Blöcke waren voll mit ungarischen Roma. In der Nacht kamen die Lastwagen rein, haben umgedreht, die Menschen aufgeladen. Die wussten ja nicht... die haben sich ohne weiteres aufladen lassen. Dann sind die Lastwagen einer nach dem anderen rausgefahren, zum Krematorium, da sind die Leute vergast worden. Ein Block war leer, der nächste, der nächste, jetzt ist der Lastwagen bei uns vorgefahren, gebremst, stehengeblieben. Am Eingang ganz oben war unser Schlaflager. Mama hat uns alle festgehalten: ›Bleibt alle hier, bleibt alle hier.‹ Ich habe oben gebibbert, wir haben ja gewusst. Ich habe von der Buchse runtergeschaut und Papa stand unten, gerade, mit dem Pickel in den Händen, und einer seiner Brüder mit einem Schaufelstiel, einer links, einer rechts. Dann kam noch ein kleinerer Mann dazu. Draußen gingen sie auf das Tor zu, bestimmt sieben, acht Mann. Der Papa hat einen Schrei losgelassen. Die ganze Baracke hat gezittert, so hat er geschrieen: ›Wir kommen nicht raus! Kommt ihr rein! Wir warten hier! Wenn ihr was wollt, müsst ihr reinkommen!‹ Die blieben stehen, es war still. Nach einer Weile kam ein Motorrad angefahren, die unterhielten sich draußen. Dann sind sie weggefahren, der Lastwagen ist weitergefahren. Wir haben alle aufgeatmet. Die anderen sechs Brüder von Papa waren in anderen Blöcken. Jeder in seinem Block hat sich mit einem Werkzeug in der Hand vorn hingestellt und gewartet, bis einer kommt. Sie haben es sich später erzählt. Onkel Konrad muss auch so geschrieen haben: ›So leicht machen wir es euch nicht! Kommt nur rein!‹ Wir haben Freudensprünge gemacht. Da bin ich heute noch stolz drauf, das hat es selten gegeben, dass sich die Leute gewehrt haben." Auch andere Überlebende berichteten von diesem Vorfall. Manche hatten ihre Baracke verbarrikadiert, manche hielten Knüppel, Messer oder hatten sich aus Blechstücken Messer geschliffen. "Die Sinti wollten sich noch einmal wehren. Wenn die SS aufgemacht hätte, hätte sie höchstens reinschießen können. Aber von ihnen wären auch ein paar umgebracht worden. Wir haben gewusst, vielleicht machen sie was Neues, aber so leicht nicht. Weil sie merken, die Sinti kämpfen und von ihnen gehen auch ein paar drauf." In der Folgezeit holte die SS die Arbeitsfähigen heraus und schickte sie in andere Lager. Alle, die in der Wehrmacht waren, konnten sich zum Krieg melden, ihnen wurde versprochen, dass ihre Familien dann freigelassen würden. Hugo Höllenreiner und sein Bruder bekamen davon nichts mit, sie waren inzwischen zu Dr. Mengele gebracht worden, der brutale medizinische Versuche durchführte. Beide dachten, sie würden nicht überleben. Da ihr Vater sich zur Wehrmacht gemeldet hatte, entkamen sie einmal mehr dem Tod. Freigelassen wurde die Familie jedoch nicht, sondern mehrfach "auf Transport" geschickt. Hugo Höllenreiner überlebte Ravensbrück, Mauthausen und schließlich das Hungerlager Bergen-Belsen. Erst nach der Befreiung erfuhr er, dass die in Birkenau verbliebenen überwiegend Schwachen, Alten, Frauen und Kinder am 2. August 1944 in den Gaskammern ermordet wurden. Augenzeugen berichteten, dass die Menschen sich bis zum Schluss verzweifelt wehrten und sogar einzeln und mit bloßen Händen SS-Männer angriffen. Allein die Familie Höllenreiner hat 36 Mitglieder verloren. Aber der elfjährige Hugo, seine fünf Geschwister und die Eltern überlebten. |
Entschieden Handeln gegen rechts!
Mehr infos gibt es unter anderem hier
https://www.roma-center.de/16-mai-international-roma-resistance-day/