Frauenkonzentrationslager Helmbrechts
"Ob zum Wohnen, Leben, Arbeiten oder Erleben – kommen Sie in unsere charmante Kleinstadt im Landkreis Hof und entdecken Sie die vielen Facetten und Möglichkeiten ... ." so wirbt die Stadt Helmbrechts für sich. Wir haben Helmbrechts besucht. Zufällig. Auf der Rückreise von unserem diesjährigen Aufenthalt in Polen haben wir im fränkischen Ahornis übernachtet und kamen dabei durch Helmbrechts. Uns fielen zunächst nur die Industrieansiedlungen auf. Helmbrechts war und ist Zentrum der Textil- und Kunststoffindustrie. Und kaum hatten wir im Netz nach Informationen über Helmbrechts geschaut, schaute auch hier die Nazi-Vergangenheit hervor: |
Hinweisschild zur Gedenkstätte "Langer Gang" in Schwarzenbach a.d.Saale |
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Es gab ein KZ-Außenlager für Frauen in Helmbrechts. Am 28. Juni 1944 forderte die Rüstungsfirma Kabel- und Metallwerke Neumeyer aus Nürnberg die Kommandantur des KZ Flossenbürg auf, Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. So begann am 19.7.1944 die Leidensgeschichte von 1173 Mädchen und Frauen im Außenlager Helmbrechts, die in den Hallen des Textilunternehmens Witt Zwangsarbeit leisten mussten: Zuächst trafen 179 inhaftierte Frauen aus dem KZ Ravensbrück ein. Bis Januar 1945 kamen weitere 500 Frauen aus der Sowjetunion, Polen, Tschechien, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland dazu. |
Der Todesmarsch von Helmbrechts nach Volary/Wallern |
► Filmbericht einer Teilnehmerin am Todesmarsch |
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Am 13. April 1945 wird das Lager Helmbrechts angesichts der näher rückenden amerikanischen Truppen geräumt. In Begleitung bewaffenter SS-Aufseherinnen verlassen etwa 1170 Mädchen und Frauen in drei Marschblöckn das Lager. Der Zug kommt am Abend in Schwarzenbach/Saale an. Alle Frauen müssen die Nacht im Freien bei Temperaturen von null Grad verbringen. Etwa 60 gehunfähige, gebrechliche Frauen werden auf Karren transportiert. Eine leerstehende "Fremdarbeiterbaracke" dient ihnen als Unterkunft. Bevor sie in die Baracke gezerrt werden, legt man sie am "Langen Gang" in Reihen ab. Nahrung bekommen sie nicht. Am Morgen sind sechs von ihnen tot. Heute befindet sich an dieser Stelle die Gedenkstätte "Langer Gang", mit der an die Opfer des KZ Helmbrechts erinnert wird. |
Tafel vor der Gedenkstätte "Langer Gang" |
Tafel vor der Gedenkstätte "Langer Gang" |
Am nächsten Tag treibt man die Gefangegen weiter über Rehau und Neuhausen nach Zwodau, wo sie mit einem weiteren Marschblock jüdischer Fauen vereint werden. Das Martyrium dauert noch zwei weitere Wochen, bis der Zug am 4. Mai 1945 in Volary eintrifft und die Frauen von der amerikanischen Armee befreit werden. |
Die Amerikaner besetzten Helmbrechts am 15. April 1945. Zwei Tage später stießen sie auf die KZ-Anlage, worauf sie den damaligen Bürgermeister befragten, der genau wie die Helmbrechtser Bevölkerung nichts von der Anlage gewusst haben wollte. Die Bewohner der Häuser um das KZ herum hatten jedoch Einblick in das Gelände, und auch die Frauen, die täglich zur Werkshalle und zurück getrieben wurden, wurden beobachtet. Am 6. Und 7. Oktober 1946 mussten 55 Helmbrechtser Bürger, vor allem Naziaktivisten, auf Befehl der Amerikaner die Toten des ehemaligen Konzentrationslagers wieder ausgraben. Diese wurden nach Münchberg gebracht und von dort aus auf den jüdischen Friedhof nach Hof überführt. Die amerikanische Untersuchungskommission war auch bei der Exhumierung der Toten am Steinbruchgelände in Haide am 18. April 1945 anwesend. Die Nachforschungen und Befragungen, die die Amerikaner bis 1947 durchführten, wurden ohne Verurteilungen eingestellt. Erst 1961 begann die Staatsanwaltschaft Hof mit Untersuchungen im Fall Alois Dörr. |
Deutsche Zivilisten werden am 11. Mai 1945 in Volary von US-Militär zum Vorbeigehen an Opfern eines Todesmarsches gezwungen |
SS-Unterscharführer Alois Dörr Kommandoführer im KZ Helmbrechts |
Alois Dörr
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Dörr beginnt in Helmbrechts ein Verhältnis mit der SS-Oberaufseherin Herta Haase, die als die brutalste in der Wachmannschaft gilt. Beide führen ein brutales Regime. Im März 1969 musste er sich vor dem Schwurgericht in Hof wegen Mordes in 217 Fällen verantworten. Beim von ihm befohlenen Todesmarsch waren 59 gefangene Frauen auf seinen Befehl oder durch ihn selbst erschossen worden, 157 weitere an Entkräftung gestorben. In der Anklageschrift hieß es: "Dörr sah in den Häftlingen keine vollwertigen Menschen. Er erblickte in ihnen nicht nur Staatsfeinde, Saboteure, Volksschädlinge, Asoziale oder Kriminelle, sondern betrachtete sie als Geschöpfe, denen kaum mehr Menschenwert zuzusprechen war". |
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Alois Dörr: Der gute Mensch von Höpfingen?!? aus: Andreas Eichmüller Die SS in der Bundesrepublik |
Als der Krieg vorbei ist, wirft Dörr seine SS-Uniform weg. Die Amerikaner halten ihn für einen einfachen Soldaten und lassen ihn nach nur einem Jahr Gefangenschaft frei. Dörr übernimmt den elterlichen Hof und gilt als angesehener Bürger und Gemeinderat. Ein frühere Häftling erkennt den einstigen Kommandoführer des Frauenlagers Helmbrechts Anfang der Sechzigerjahre auf einem Foto in der Lokalzeitung von dessen schwäbischen Heimat, wo er bei einem Festumzug als Kommandant der Feuerwehr zu sehen ist. Nach seiner Verhaftung 1962 starten Höpfinger Bürger eine Unterschriftenaktion und sammeln mehr als 50.000 DM Kaution. Der Bürgermeister erklärt: "Mit einer Verurteilung widerfährt niemanden Gerechtigkeit." Dörr habe nur seine Pflicht getan "zum Wohle des Vaterlandes". Wegen fünffachen gemeinschaftlich begangenen Mordes wurde er am 31. Juli 1969 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, kam 1979 jedoch aufgrund einer Begnadigung durch den bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel frei.
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Der "Verein gegen das Vergessen - zum Gedenken für die Opfer der NS-Diktatur in der Region Hof" betreut die Erinnerungsstätte "Langer Gang" in Schwarzenbach a.d.Saale. Er hat ein Buch herausgegeben, in dem das Schicksal der Frauene eindrücklich beschrieben ist. Es trägt den Titel: "Das Frauenkozentrations - und Außenlager Helmbrechts - Der Todesmarsch von Helmbrechts nach Volary CZ/Wallern" und kann zum Preis von 10€ Verein erworben werden: Mail: langergang(at)gmx(dot)de |
Die Gedenkstätte "Langer Gang" in Schwarzenbach a.d.Saale |
Akten zum Prozess gegen Alois Dörr ►Akt1 , ►Akt2 , ►Akt3 , ►Akt4 , ►Akt5 , ►Akt6 , ►Akt7 ►Akt8 , ►Akt9 , ►Akt10 , ►Akt 11 , ►Akt12 |
Ich dachte immer, ich kenn’ die Geschichte des Frauenkonzentrations- und Außenlager Helmbrechts und des Todesmarsches der Frauen von Helmbrechts nach Volary CZ/Wallern und es macht mir nichts aus, das neue Buch des Vereins gegen das Vergessen zu lesen. Aber weit gefehlt! Es macht was mit einem, das neue Buch! Es macht betroffen und es macht wütend! Wütend auf sich selbst, dass man nicht noch mehr unternimmt gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Dabei geht es nicht um die Übernahme von Schuld für Vergangenes durch die heutige Generation, sondern um den verantwortlichen Umgang mit der eigenen - deutschen - Geschichte und darum, das Bewusstsein für Unmenschlichkeit wachzuhalten, Demokratie zu praktizieren und zu schützen, zu ermuntern sich zivilgesellschaftlich zu engagieren, einzutreten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.
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Einige links zum KZ Helmbrechts Der Todesmarsch nach Volary Das Lager Helmbrechts: Fünf Wochen der Hölle https://www.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/volary_death_march/index.asp https://langer-gang.schwarzenbach-saale.de/geschichte.htm https://langer-gang.schwarzenbach-saale.de/foto%202.htm https://www.fgv-oberkotzau.de/pics/Boehmerwald2019/M-KZ-Au%C3%9Fenlager_Helmbrechts.pdf https://www.zwangsarbeit-archiv.de/bildung/flossenbuerg/bohle-szacki/helmbrechts/index.html https://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de/de/geschichte/aussenlager/helmbrechts Holocaustüberlebende erinnert sich an die Bestrafungen im KZ Helmbrechts https://www.youtube.com/watch?v=VPNCueAj-X4 |