Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?
Erich Kästner
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Büros, als wären es Kasernen.
Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe.
Und unsichtbare Helme trägt man dort.
Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe.
Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!
Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will
- und es ist sein Beruf etwas zu wollen -
steht der Verstand erst stramm und zweitens still.
Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen!
Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen
und mit gezognem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren.
Dort wird befördert, wer die Schnauze hält.
Kennst Du das Land? Es könnte glücklich sein.
Es könnte glücklich sein und glücklich machen?
Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein
und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen.
Selbst Geist und Güte gibt´s dort dann und wann!
Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen.
Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann.
Das will mit Bleisoldaten spielen.
Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün.
Was man auch baut - es werden stets Kasernen.
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
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Kriegstauglich
=
Unmenschlich
Eine Regierung, die hohe Militärausgaben, die stärkste konventionelle Armee in Europa und kriegstüchtige Bürger anstrebt, bekommt eine andere Gesellschaft.
Anzunehmen, dass Militärausgaben steigen, andere Bereiche aber davon unberührt bleiben, ist absurd. Die Annahme, man könne junge Menschen darauf trainieren, andere Menschen zu erschießen, sie aber zugleich zu achtsamen Frauen und Männern und liebvollen Müttern und Vätern erziehen, ist ebenfalls absurd.
Wenn Menschen auf Kriegstauglichkeit getrimmt werden, dann sind die Zeiten von Menschlichkeit und zärtlichen Eltern-Kind-Beziehungen vorbei.
Kriegstüchtig heißt: Jungs werden zu Kampfmaschinen erzogen und Mädchen zur Kriegsbeute degradiert. Das Erziehungsziel ist dann gewaltbereite Durchsetzungsfähigkeit - töten inklusive.
Mitgefühl, Achtsamkeit und Respekt kommen in die Mottenkiste.
Wer wissen will, wie das früher war, sollte seine Großeltern fragen. Hat die Seele des Kriegs-Heimkehrers die Kriegsgräuel unbeschadet überlebt? War er noch derselbe wie vor dem Krieg? War er liebevoll oder hart und verschlossen? Erste Verlierer eines kriegstüchtigen Deutschlands werden unsere Kinder sein.
Wer auf Gewalt setzt, bekommt Gewalt - auch dort, wo er sie nicht wollte.
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