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Rede Uli Rodewald zur Reichspogromnacht 9.11.2025

Rede Uli Rodewald
Friedensrat Markgräflerland anlässlich des Schweigemarsches für die ermordeten jüdischen Müllheimer 
9. November 2025 – vor der Evang. Stadtkirche Müllheim

Wir sind hier zusammengekommen, um der ermordeten jüdischen Mitbürger aus Müllheim und Badenweiler zu gedenken, den Opfern dieses einzigartigen Menschheitsverbrechen. Wir treffen wir uns  hier, um unsere Verpflichtung zu bestätigen, für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung zu arbeiten.

Die Reichsprogromnacht am 9. November 1938, in der die Nazis jüdische Gotteshäuser schändeten, und gewalttätig gegen jüdische Menschen vorgingen, war einer der Punkte, an denen der Bevölkerung hätte klar werden können und müssen, was mit der jüdischen Bevölkerung passieren sollte. Aber die Mehrheit schaute zu oder weg.
Der 9.11. 1938 war einer für die Bevölkerung spürbaren Startpunkte dieses menschenvernichtenden Programms der Nazis.

ir gedenken jedes Jahr am 9.11. des schlimmen Schicksals so vieler Menschen. Stellvertretend hierfür sind die jüdischen Menschen in Müllheim und Badenweiler, deren Leben durch den Hass der Nazis und ihrer Mitläufer zerstört wurde.
Wir wollen zeigen, dass es wichtig ist, sich bösen Menschen aktiv in den Weg zu stellen und ihnen zu sagen: 
Das machen wir, denen jedes Menschenleben gleich ist, wir machen das nicht mit!
Die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar. Es ist egal, welche Religion ein Mensch hat, ob er aus einem anderen Land kommt, ob er einfach "nur" anders ist.
Die Opfer der Nazis verpflichten und ermutigen uns, durch unser Handeln für sie  und für die heute Verfolgten  Partei zu ergreifen.
Und wir gehen für unsere Kinder mit mutigem und menschlichem Beispiel voran und zeigen ihnen und allen anderen unseren Traum von einer besseren Welt..
Es wird kein Traum bleiben, wenn jeder aufhört, nur an sich zu denken. 

Menschlich zu sein und zu handeln ist ganz einfach. Doch man muss es tun.
 
"Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah.  Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon." Dieser Satz von Max Mannheimer, einem der wenigen Überlebenden des Holocaust ist uns Verpflichtung. 

 

Schweigemarsch für die ermordeten jüdischen Müllheimer 9.November 2025

Am Gedenkstein für die ehemalige Synagoge in Müllheim sind die Namen der ermordeten jüdischen Menschen aus Müllheim und Badenweiler zu lesen

Doch  leider geschieht es schon wieder, dass Menschen  andere Menschen aussortieren wollen. 
Es verdeutlicht die Dauerhaftigkeit, Langlebigkeit und Steigkeit völkischen Denkens von reaktionären Kräften in Deutschland.

„Wenn ich an einem Samstagmittag im Zentrum meiner Stadt unterwegs bin, mit offenen Augen, wissen Sie, was ich dann sehe? „Ich sehe noch vereinzelt Deutsche
( Der vormalige AfD Vorsitzende Meuthen 2017)

" Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen".
(Bundeskanzler Merz 2025)

 

Mit diesen Aussagen von Bundeskanzler Merz setzt sich die jüdische Schriftstellerin Sasha Marianna Salzmann in der taz auseinander. Hier einige Auszüge aus ihrem Artikel. Er trägt die Überschrift:

Der böse Traum von einem gereinigten Deutschland
Sasha Marianna Salzmann, jüdische Schriftstellerin, Artikel in der taz vom 19.10.2025-
 https://taz.de/Autorin-zur-Stadtbild-Debatte/!6121676/
„Wenn Merz ... andeutet, dass er Straßen und Plätze säubern lassen wird, dann meint er nicht jüdisches Leben, natürlich nicht. Er meint die „anderen“, die aus dem Osten, aus dem Nahen Osten, die Muslime, er meint alle Nicht-Regulierten. Woran erkennt man eigentlich das irregulär Migrantische, das Migrantische überhaupt? An den schwarzen Haaren, der schwarzen Haut, den Augen, dem Schnitt des Gesichtes, dem Kopftuch, der Sprache, die nicht westeuropäisch klingt? Sitzen die Irregulären in Shisha-Bars?
Gibt man in diesen Tagen der Versuchung nach, zynisch zu werden, muss man feststellen: Die Verwirklichung des Kanzler-Traums von einem gereinigten Deutschland macht große Fortschritte. Nicht nur die rechtswidrige Asylpolitik hilft, längst kümmern sich schon gewaltbereite Rechtsradikale darum.
Um die Menschenrechtsanwältin Christina Clemm zu zitieren: „Wenn ein Bundeskanzler eine solche Aussage tätigt, dann muss es doch niemanden verwundern, dass selbstbewusste Neonazis es von sich aus vollstrecken und alle jagen und verprügeln, die nicht ins völkische Menschenbild passen.“
Ich wünschte mir, dass ein Bundeskanzler, dessen Großvater sich früh um die Mitgliedschaft in der NSDAP bemühte, sein Erbe ernstnimmt und nicht vom Reinigungsbedarf deutscher Straßen und Plätze infolge unregulierter Migration fantasiert.
Aber vielleicht ist die Stadtbild-Ansage ja gerade Merz' Art, mit seinem Erbe umzugehen. 
Zur Erinnerung: 1992, wurde die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber*innen in Rostock-Lichtenhagen angegriffen, das dazugehörige Wohnheim in Brand gesteckt. Im selben Jahr ging in Mölln das Haus der Familie Arslan in Flammen auf. 1993 folgte der Brandanschlag in Solingen usw. Die Liste der Versuche, Deutschland rein aussehen zu lassen, ist unerträglich lang.
Ausdruck eines völkischen Verständnisses
Im aktuellen politischen Klima ist Merz' Aussage keine unglückliche Wortwahl, sondern eine Ansage. Es ist die Bekräftigung des AfD-Versprechens der sogenannten Remigration. Es ist der Ausdruck eines völkischen Verständnisses von Deutschland. Es ist menschenverachtend. Ein „Nie wieder!“ wird zur leeren Phrase, wenn nicht zugleich die Ursache der mörderischen Gewalt und ihre aktuellen Ausformungen in Politik, bei den Behörden und in Reden wie der von Friedrich Merz untersucht werden.
Ich empfinde es als beschämend, dass der vermeintliche Schutz jüdischen Lebens als perfides Argument für die kontinuierliche Aushöhlung des Asylrechts missbraucht wird. Welche Art der Lehre aus der Vergangenheit soll das sein?
Für Jüdinnen und Juden kann es aus der Geschichte nur eine Lehre geben: Die Einteilung in jene, die aus dem Stadtbild entfernt gehören, und in jene, die in das Stadtbild passen und deshalb verschont bleiben, ist nicht hinnehmbar. Verschont zu welchem Preis? Was wird von einem jüdischen Menschen gefordert, um Teil der deutschen Gesellschaft zu sein? Ganz offensichtlich die Komplizenschaft für eine Politik, die unser Überleben damals unmöglich gemacht hätte.
Würde die deutsche Gesellschaft ihr Erbe wirklich ernst nehmen, gäbe es die AfD nicht und wir müssten nicht über das Verbot einer als gesichert rechtsextremistischen Partei debattieren. Wovon auch immer Friedrich Merz so tief ergriffen war, als er in der Münchner Synagoge Tränen über das Leid jüdischer Menschen in Deutschland vergoss, eines muss klar sein: Wenn er die Straßen und Plätze dieses Landes von migrantischem Leben reinigen will, dann reinigt er meines mit.“

Schreibt Sasha Marianna Salzmann.

Wir wollen – gerade in Erinnerung an die Folgen einer solchen völkischen Politik  - kein gereinigtes Deutschland. Wir wollen eine Gesellschaft, in dem für alle Menschen, die hier leben, der Artikel 1 des Grundgesetzes gilt:


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

 

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