Schopfheim (jab). Politik und Kirche - Politik in der Kirche – geht das zusammen? „Ganz unbedingt!“, lautete unlängst die Quintessenz einer Podiumsdiskussion in der alten Kirche St. Michael. Flüchtlingspolitik, Energiewende oder Kritik an den Sozialsystemen sind demnach politische Felder, die die Kirche und den einzelnen Gläubigen ganz klar angehen, auf denen Positionierung und Engagement gefordert sind.

Bereits in der Predigt während des ökumenischen Gottesdienstes hatte Pfarrer Ströble etliche Impulse für die anschließende Diskussion gesetzt. „Als Christen haben wir gesellschaftliche Verantwortung“, so Ströble , „wir können nicht so tun, als ginge uns die Welt nichts an.“

Für den Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Fahrnau bergen diese Überlegungen klare Handlungsweisungen: „Wir sind in der Pflicht zu helfen“, betonte Ströble, und bezog auch mit Blick auf sein eigenes Pfarrerdasein klare Position: „Ein Pfarrer darf gar nicht unpolitisch predigen“, erklärte er, und setzte diese Forderung direkt selbst um: Ob Raketen auf israelische Städte einerseits oder die israelische Siedlungspolitik andererseits, die restriktive Flüchtlingspolitik in diesem Land - „ich halte diese nicht für christlich“ -, die immer weiter klaffende Schere zwischen Arm und Reich, das Aufbürden von Atommüll auf nachfolgende Generationen oder der Widerstand gegen regenerative Energien etwa aus ästhetischen Gründen - Stichwort Windkrafträder: „Da geschieht Unrecht. Und darüber können wir nicht schweigen.“

Dabei, so Ströble, gehe es keinesfalls um parteipolitische Aussagen, sondern darum, „ein Bewusstsein zu schaffen und zum Nachdenken zu bringen.“

Auch die übrigen Teilnehmer der von Johannes Kehm moderierten Diskussion bekräftigten das Recht und die Pflicht der Kirche auf Einmischung. „Man muss die Leute auf das Unrecht in der Welt aufmerksam machen“, erklärten Katharina Maß und Sarah Roth, beide im Umfeld des Jugendparlaments engagiert, und Wolfgang Gorenflo vom diakonischen Werk flankierte; „Man muss die Finger in die Wunden legen.“

Gemeinderat Michael Straub kam von einer etwa anderen Perspektive aus auf den gleichen Schluss: Jeder Bürger sei gefragt, sich in die gesellschaftliche Gestaltung einzubringen. „Das gilt unabhängig von der Kirche. Aber die Kirche gehört natürlich dazu.“

Mit Blick auf die klaffende Schere zwischen Arm und Reich wurde in der Diskussion die Systemfrage gestellt – und von Wolfgang Gorenflo unter Verweis auf urchristliche Werte mit der klaren Forderung nach einem Systemwechsel beantwortet: „Die Würde des Menschen wird nicht berücksichtigt“, schilderte Gorenflo die Eindrücke aus seiner täglichen Arbeit mit Menschen, die aus dem Sozialsystem zu fallen drohen. „Die Hängematte Harzt IV gibt es nicht“, stellte Gorenflo klar.

Weitere Denkanstöße brachte die Öffnung der Diskussion in den Zuschauerraum hinein. Deutlich wurde hier unter anderem, dass die Frage nach der Vereinbarkeit von Kirche und Politik stark davon abhängt, was Politik denn überhaupt ist: Parteipolitik darf’s von der Kanzel aus wirklich nicht sein, war man sich einig.

Versteht man unter Politik aber das schiere Engagement für die Gesellschaft und den Nächsten, dann gehört Politik quasi zum Grundauftrag der Kirche: „Jesus war ein zutiefst politischer Mensch“, formulierte eine Zuhörerin dies - „er hat nichts anders getan, als sich für die Mitmenschen einzusetzen.“ Eine Überlegung, die vom nächsten Wortbeitrag aufs Hier und Jetzt und die eigene Person herübergebrochen wurde: „Als Christ muss ich mich engagieren, sonst bin ich kein Christ.“