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Zeitzeugen berichten bei den Markgräfler Friedenswochen von ihren Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg

Veröffentlicht von Friedensrat (admin) am Nov 11 2013
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Zweiter Weltkrieg

Markgräfler Friedenswochen: Zeitzeugen berichten

Zeitzeugen berichten bei den Markgräfler Friedenswochen von ihren Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg / Weitere Aktionen bis zum 29. November.

  1. Der Müllheimer Bahnhof zu Kriegszeiten Foto: Privat

 

MÜLLHEIM. Menschen, die über den Zweiten Weltkrieg aus eigener Erfahrung berichten können, werden immer weniger. Die Katastrophe dagegen ist immer noch präsent, ihre Auswirkungen reichen bis in unsere Tage hinein. Von den unheilvollen Jahre zwischen 1933 und 1945 berichteten Zeitzeugen auf Einladung des Friedensrat Markgräflerland im Rahmen der Markgräfler Friedenswochen.

Unter den knapp 20 Personen, die sich um den Konferenztisch im Bürgerhaus zusammengefunden hatten waren mit Ernst Udo Kaufmann (86) und Ruth Keller (83) zwei Zeitzeugen, die den anderen von ihren persönlichen Erinnerungen an die Kriegszeit berichteten. Ihre Geschichten, die auf den ersten Blick wenig zusammenhängend erschienen, gründeten doch auf gemeinsamen Erfahrung: Das Aufwachsen als junger Mensch in einer Ausnahmesituation, in einer Zeit, in der es keine richtige Schule gab, in der man zum Arbeitsdienst herangezogen wurde. In der man die Erwachsenen beim Hören des "Feindsenders" ertappte und nicht wusste, warum das so schlimm sein soll. Eine Zeit aber auch, in der Nachbarn und Lehrer ins Zuchthaus gesteckt wurden, weil sie sich regimekritisch geäußert hatten und von jemandem verraten wurden.

 


Kaufmann hat seine Erinnerungen später aufgeschrieben, er war als 16-Jähriger Flak-Helfer und Pilot. "Ich habe viele Menschen um mich herum sterben sehen", sagte er. Er berichtete von dem Tag nach der Pogromnacht, als in der Müllheimer Hauptstraße das Mobiliar der verwüsteten Wohnungen auf der Straße herumlag und von zwei jüdischen Schwestern, die in der Badstraße gewohnt hatten und sich auf diese Ereignisse hin das Leben nahmen.

Ruth Keller berichtete von ihrem Arbeitseinsatz als Schulmädchen in der Küche eines Lagers für Kriegsgefangene aus Holland, Frankreich und Belgien in Rheinfelden, wo es "ordentlich zuging", sie aber ihre Freundschaft mit einem jungen Holländer verheimlichen musste. Und man habe dort Männer gesehen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, die im Kriegsdeutschland völlig aus dem Straßenbild verschwunden waren. Die Gefangenen hätten sehr unter der Trennung von ihren Familien gelitten, manche hätten aber auch Angst gehabt, wieder nach Hause zu kommen. "Es herrschte unter der Zivilbevölkerung ein Klima der Einschüchterung und Angst", sagte Ulrich Rodewald, Sprecher des Friedensrates.

Er hatte hierzu aus dem Freiburger Staatsarchiv ein Dokument mitgebracht. Der Wirt des Müllheimer Gasthofs "Kreuz", Gustav Oberst, hatte offenbar Zweifel an Hitlers Endsieg geäußert und war deshalb denunziert worden. Die Nazis sperrten ihn anderthalb Jahre ins Zuchthaus. Ihm wurde vorgeworfen – Rodewald zitierte aus einem in barschem Ton gefassten Schreiben des berüchtigten Müllheimer NSDAP-Kreisleiters Grüner – er habe seine Landwirtschaft verkommen lassen und seinen Betrieb nicht ordnungsgemäß geführt.

Aber es gab damals auch Menschen, die sich gegen das Unrecht stellten: Einige Müllheimer Bürger taten sich zusammen und verbürgten sich in einer am 13. April 1942 abgefassten "Erklärung" dafür, dass sie Oberst als "äußerst fleißigen und tüchtigen Landwirt kennengelernt haben". Ein mutiger Schritt, der angesichts der für die Unterzeichner drohenden Folgen mit heutigen Unterstützerschreiben nicht viel gemein hat. Auch nach dem Krieg sei Oberst nicht für die erlittenen Einbußen während seiner Haftzeit entschädigt worden, berichtete Rodewald.

Auch die Tragödie um den polnischen Zwangsarbeiter Julian Garlewicz sei immer noch nicht aufgearbeitet. Das wurde deutlich aus dem Beitrag von Dieter Grether aus Niederweiler. Garlewicz war von einem Sonderkommando erhängt worden, nachdem er bezichtigt wurde, mit seiner deutschen Dienstherrin ein Verhältnis zu haben. "Geschwätz und Getratsche haben für eine Denunziation gereicht", sagte Grether. Er hatte veranlasst, dass vor einigen Jahren für Garlewicz ein Gedenkstein an der Friedhofsmauer in Niederweiler angebracht wurde. "Wehret den Anfängen", war das Fazit der Anwesenden am Ende der Veranstaltung. Es habe sich gezeigt, dass, wenn ein Terror-Regime erst einmal etabliert ist, Widerstand fast aussichtslos ist, stellte Rodewald fest. Und: "Nicht alles ist Vergangenheit", das sei ebenfalls eine Lehre, die man aus den Berichten ziehen könne.

Zuletzt geändert am: Nov 11 2013 um 2:48 PM

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