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Urteil in Karlsruhe: Ein guter Tag für die Rüstungsindustrie

Veröffentlicht von Friedensrat (admin) am Oct 21 2014
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Von Dietmar Hipp

DPA

Darf die Bundesregierung geheim über Rüstungsexporte entscheiden? Die Verfassungsrichter sagen ja und geben ein Bekenntnis zum Waffenexport als Mittel der Außenpolitik. Aber sie drücken sich um eine grundlegende Frage.

Karlsruhe - Die Enttäuschung war Hans-Christian Ströbele deutlich anzumerken: "Wir hatten uns anderes und mehr erhofft", sagte der Grünen-Abgeordnete nach der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts zum Informationsrecht von Bundestagsabgeordneten bei Rüstungsexporten.

 
 
Ganz mit leeren Händen standen Kläger Ströbele und seine Mitstreiterinnen Katja Keul und Claudia Roth am Ende aber nicht da: Das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, dass Anfragen der Abgeordneten prinzipiell beantwortet werden müssen, wenn es darum geht, ob der sogenannte Bundessicherheitsrat - ein Ausschuss, bestehend unter anderem aus ausgewählten Mitgliedern der Bundesregierung - einen Rüstungsexport genehmigt hat oder nicht. Die Abgeordneten sollen dann erfahren, welche Art und Anzahl von Waffen in welches Land geliefert werden sollen, und wie hoch das Gesamtvolumen des Rüstungsgeschäfts ist.

 

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Waffengeschäfte: Deutschland exportiert so viele Rüstungsgüter wie nie
Doch alles was darüber hinausgeht - etwa wer an dem Geschäft beteiligt war oder auch die Gründe, warum ein Geschäft genehmigt wurde - darf die Bundesregierung verschweigen. Und von abgelehnten Anträgen müssen die Parlamentarier gar nichts erfahren. Auch zu Beschlüssen über sogenannte Voranfragen an den Bundessicherheitsrat muss sich die Bundesregierung nicht äußern: Dabei sind es diese, die das Rüstungsgeschäft einleiten, und - zumindest faktisch - in vielen Fällen eine Vorentscheidung bedeuten.

Das Kernanliegen der Opposition wurde damit von den Richterinnen und Richtern des Zweiten Senats nicht erfüllt: Nämlich dass sich die Abgeordneten inhaltlich intensiv mit konkreten Rüstungsexporten befassen können, noch bevor eine rechtlich bindende Entscheidung gefallen ist.

Daran ändert auch der Vorschlag nichts, den die Verfassungsrichter den Abgeordneten quasi als Trostpflaster präsentierten: Wenn der Bundestag eigens "ein der Geheimhaltung unterliegendes Sondergremium" einrichten würde, könnte dieses etwa auch über abgelehnte Exportanträge oder die Gründe für eine Genehmigung unterrichtet werden. Das Problem aus Sicht der Opposition: Der Kreis der informierten Abgeordneten bliebe exklusiv, und die Öffentlichkeit dürfte nichts erfahren.

Ströbele kritisiert Urteil

Selbst diese sehr eingeschränkten Informationsrechte gelten nach dem Urteil nicht ausnahmslos: Denn die eigentlich nötige Auskunft kann nach dem Urteil aus "Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise" immer noch verweigert werden: Zwar müsste die Bundesregierung "gesondert begründen", warum sie sich weigert - was in den vorliegenden Fällen nicht geschah; doch wie detailliert diese Begründung aussehen muss, sagen die Richter nicht - um diesen Punkt dürfte es bei nächster Gelegenheit bald neuen Streit geben.

Darauf, dass das Verfassungsgericht dann nochmals in ihrem Sinne nachbessert, können die Oppositionspolitiker aber wenig Hoffnung setzen: Die Verfassungsrichter hätten für die Rüstungsindustrie geradezu "einen Rechtsraum geschaffen", kritisierte Ströbele nach der Urteilsverkündung.

In der Tat lesen sich einige Passagen des Urteils so, als seien Kriegswaffenexporte eine notwendige und per se legitime Fortsetzung der Außenpolitik mit anderen Mitteln - und nicht, wie die Kläger geltend gemacht hatten, nach dem Grundgesetz eigentlich verboten, und nur ausnahmsweise zulässig.

Richter drücken sich um eine grundlegende Frage

Umso mehr fiel auf, dass sich die Verfassungsrichter um eine weitere, ganz grundlegende Frage drückten: ob nämlich der Bundessicherheitsrat überhaupt befugt ist, solche Rüstungsexporte zu genehmigen. Nach dem Grundgesetz stehen diese Beschlüsse nämlich nur der Bundesregierung insgesamt zu - und normalerweise sind die Verfassungsrichter in solchen Fragen äußerst penibel. Nicht hier: für die Informationspflichten spiele es keine Rolle, ob der Bundessicherheitsrat dazu berechtigt sei. Deshalb könne man diese umstrittene Rechtsfrage offen lassen.

Ströbele und Co. sahen keine Möglichkeit, dagegen zu klagen: Denn verletzt seien damit ja nicht die Rechte der Abgeordneten, sondern die Rechte der Regierungsmitglieder, die nicht im Bundessicherheitsrat sitzen. Und diese werden der Opposition nicht den Gefallen tun, gegen die eigenen Kabinettskollegen vors Verfassungsgericht zu ziehen.

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Zuletzt geändert am: Oct 21 2014 um 6:35 PM

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