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Nicht alle Fragen kommen gut an

Veröffentlicht von Friedensrat (admin) am Oct 31 2014
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 â–º Badische Zeitung 22. Oktober 2014

Flüchtlinge in der Schulsporthalle – das weckt bei den Eltern Besorgnisse, die sie beim Infoabend offen ansprechen.

  1. Auf dem Podium: Beate Wagner und Renate Hoch-Hartmann (berufliche Schulen), Samuel Gebert (Helferkreis Flüchtlinge), Bürgermeisterin Siemes-Knoblich, Eva-Maria Münzer, Andrea Lotze und Jan Schulz (Landratsamt), Bernhard Beier-Spiegler (Diakonie) sowie Wolfgang Busse (Caritas) Foto: Volker Münch

  2. Die Unterbringung von Flüchtlingen in einer Sporthalle sorgt für viel Gesprächsstoff bei der Bürgerversammlung in der voll besetzten Aula der Michael-Friedrich-Wild-Grundschule. Omar Sheik Gassama spricht über den Alltag und die Situation der zehn Flüchtlinge aus Gambia, die seit einem Jahr in Müllheim leben. Foto: Volker Münch

     

MÜLLHEIM. Fragen zuhauf, Sorgen und Nöte nicht viel weniger: Dass die Sporthalle der beruflichen Schulen mit Flüchtlingen belegt wird, das ist in Müllheim ein vieldiskutiertes Thema. Der Informationsabend des Landkreises und der Stadt hat manches beantwortet und geklärt, aber auch manches offengelassen. Klar geworden ist den vielen Besuchern der Veranstaltung vor allem eins: Die Flüchtlingsströme nehmen seit diesem Herbst zu und dem Landkreis mangelt es an allen Ecken und Enden an Unterbringungsmöglichkeiten.

Bund, Land und Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald unter Druck
Neun Leuten auf dem Podium sitzen im Halbrund der Aula der Michael-Friedrich-Wild-Grundschule eine große Schar Wissbegieriger gegenüber. Hier die Vertreter von Landkreis, Stadt, Schulen, Helferkreis Flüchtlinge, Diakonie und Caritas; dort Eltern, Lehrer und Bürger, die erfahren wollen, warum ausgerechnet in einer Schulsporthalle Flüchtlinge untergebracht werden müssen. Ihnen schildert Eva-Maria Münzer, Dezernentin für Jugend und Soziales des Landkreises, die Sachzwänge, denen sich das Landratsamt ausgesetzt sieht. Für den Landkreis hat sich die Aufnahmequote seit Oktober auf 100 Menschen erhöht, bis September waren es noch insgesamt 414. "Es kommen immer mehr Flüchtlinge in immer kürzerer Zeit", so Münzer. Entspannung sei nicht in Sicht, laute die Auskunft aus dem Bundesamt für Immigration.

 

Hat es wirklich keine bessere Lösung gegeben?

Nein ist die Antwort der Sozialdezernentin. Der Landkreis suche seit 2012, seit die Flüchtlingszahlen steigen, mit Hochdruck Flächen und Immobilien in seinen 50 Kommunen, auch Wohnungen. Für die Dauer des Asylverfahrens, das im Schnitt 18 Monate dauert, ist der Landkreis für die Flüchtlinge verantwortlich, solange muss er für ihre Unterbringung sorgen. Luft gibt es hier aber erst wieder, wenn zwei neue Gemeinschaftsunterkünfte für je 80 Personen fertiggestellt sind: in Müllheim und in Bad Krozingen. Beide werden im kommenden Jahr den Betrieb aufnehmen, Müllheim voraussichtlich im Frühjahr. Dann haben Planung und Umbau des Hotel Bauer ein Jahr oder noch länger gedauert. Das liegt daran, dass viele baurechtliche Vorschriften, unter anderem hohe Brandschutzauflagen, eingehalten werden müssen. Selbst Containerunterkünfte brauchen eine gewisse Vorlaufzeit. Nur sogenannte Notunterkünfte, wie sie die Sporthalle nun darstellt, stehen recht schnell zur Verfügung. "Für uns ist es keine gute Alternative", betont Sozialdezernentin Münzer, weder im Sinne der Flüchtlinge noch der Bevölkerung. Schon im Sommer 2012, als die Flüchtlingszahlen anstiegen, hat das Landratsamt über einen Plan B nachgedacht und ist damals auf diese Sporthalle in Müllheim gekommen, weil sich – so Münzer – bei ihr die Einrichtung am einfachsten bewerkstelligen lasse. Die Stadt habe dieser Wahl zugestimmt, so Bürgermeisterin Astrid Siemes-Knoblich, wenn auch nicht mit großer Freude. Es sei aber jetzt nicht der richtige Zeitpunkt viel zu fragen, sondern zu schauen, wie diese Notsituation möglichst reibungslos bewältigt werden könne.

Zur Überraschung des Podiums kommen aus dem Publikum zwei Vorschläge, die bisher keine Rolle spielen. Ein Mann verweist auf ein leerstehendes Gebäude in der Haltinger Straße im Müllheimer Gewerbegebiet, das der Eigentümer dem Kreis überlassen würde. Ein anderer fragt nach der leerstehenden Schule in Schweighof, einer Außenstelle der René-Schickele-Schule in Badenweiler. Das Landratsamt schreibe regelmäßig alle Gemeinden an, erklärt die Kreissozialdezernentin. Von beiden Gebäuden hat sie bisher nichts gehört. Sie will diesen Anregungen nachgehen.

Was bedeutet es, wenn eine Schulsporthalle ausfällt?
"Das bringt uns in größte Schwierigkeiten", erklärt Schulleiterin Renate Hoch-Hartmann. Sie und ihre Kollegin Beate Wagner setzen auf die Solidarität der örtlichen Schulen, damit die Lasten gleichmäßig verteilt werden. Gespräche sind im Gange, die anderen Schulleiter wollen helfen, so gut sie können. Ausreichend scheint bisher das Angebot aber noch nicht zu sein. Die Zeit drängt, in den am Montag beginnenden Herbstferien wird die Halle hergerichtet, dann steht sie für den Schulsport nicht mehr zur Verfügung. Die zwei Schulleiterinnen erklären, dass sie erst vor kurzer Zeit darüber informiert wurden, dass nun der Fall der Fälle eingetreten ist. Sie wurden zwar vergangenes Jahr in Kenntnis dieses Plan B gesetzt, dann aber habe es wieder Entwarnung gegeben, so Wagner. Das Publikum versteht nicht, warum die Schulen nicht besser eingebunden und die Umverteilung des Hallensports nicht besser vorbereitet wurden. Das sei eine Gratwanderung, erwidert Sozialdezernentin Münzer, einen Plan B könne man nicht gleich mit allen kommunizieren, die Schulbehörde sei aber stets einbezogen gewesen.

Die Sorge der Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder
Rund um die Sporthalle liegen mehrere Schulen, zwei Kindergärten und die Musikschule. "Wer garantiert für unsere Kinder", fragt ein Vater, wo doch die Polizei so schon überfordert sei. Er spricht offenbar vielen Eltern aus dem Herzen. 60 junge Männer, voller Power, die besuchten doch nicht immer einen Deutschkurs, umschreibt eine Mutter ihre Sorge. Wie steht es um die gesundheitliche Situation der Flüchtlinge? Hat der Kreis die Möglichkeit zu sagen, dass er niemand mehr aufnehmen kann? Wie lange dauert die Notlösung in der Sporthalle an? Nicht alle dieser Fragen kommen beim Podium gut an. Bürgermeisterin Siemes-Knoblich sieht sich sogar zu der Bemerkung veranlasst: "Dieses Gedankengut hat keinen Platz in unserer Stadt." Auch Sozialdezernentin Münzer meint nicht verstehen zu können, worin das Problem der Eltern besteht. Sie betont, dass im Kreis inzwischen mehr als 600 Flüchtlinge untergebracht seien, 80 Prozent davon junge Männer, und bisher sei es zu keinem einzigen Übergriff auf die Bevölkerung gekommen. Weder von der Polizei noch von Gemeindeverwaltungen oder anderen Gruppen hätte sie je Derartiges gehört. Die Menschen, die ins Land kommen, hätten es nicht darauf angelegt, kriminell zu sein, sondern auf Schutz und Arbeit. Einen Aufnahmestopp kann der Kreis nicht verfügen und die Notlösung in der Halle dauert höchstens ein halbes Jahr, sagt Andrea Lotze vom Landratsamt. Und: Die Flüchtlinge würden bei der Aufnahme in Karlsruhe medizinisch untersucht.

Siemes-Knoblich verweist auf die zehn Gambier, die seit einem Jahr in Müllheim leben, und fordert zwei Anwesende von dieser Gruppe auf, sich zu äußern. Die Schilderung beider zeigt, wie weit sie schon integriert sind, der eine arbeitet als gelernter Sozialarbeiter ehrenamtlich im Helferkreis Flüchtlinge mit, der andere macht eine Trainerausbildung beim FC Neuenburg. Probleme bereiten, sagen beide in ziemlich gutem Deutsch, das gehe nicht, man wolle doch von der Bevölkerung aufgenommen werden.

Die Sozialdezernentin verweist auf die Betreuung der 60 Flüchtlinge – wahrscheinlich junge Afrikaner – durch einen Hausmeister und durch zwei Sozialarbeiterinnen. Nachts wird außerdem ein privater Sicherheitsdienst hinzugezogen.

Der Helferkreis Flüchtlinge will die Situation entlasten
Samuel Gebert vom Müllheimer Helferkreises erklärt, dass diese Gruppe inzwischen aus 75 Leuten bestehe, die auch definiert habe, was sie könne und was eben nicht. Den Flüchtlingen möchte man das Einleben erleichtern, sie begleiten, nicht zu Lasten, sondern zum Wohle von Müllheim. Man überlege derzeit, wie man die Situation im Bereich der Schulen entlasten könne. Gebert empfahl denjenigen, die sich sorgen, Kontakt mit Flüchtlingen aufzunehmen. Das sei sehr bereichernd.

Gut, dass die Befürchtungen auf den Tisch gekommen seien, betont die Geschäftsführende Schulleiterin Barbara Dobuszewski. Die Situation sei eine Herausforderung für alle, schließt die Bürgermeisterin nach mehr als zwei Stunden, am meisten aber für die Flüchtlinge.

Zuletzt geändert am: Nov 02 2014 um 9:03 PM

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