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Meuterei auf der "Hermlin"

Veröffentlicht von Friedensrat (admin) am Feb 28 2013
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â–º Frankfurter Rundschau 28.02.2013


Gewalt bei der Marine
Gefesselt und gedemütigt
Von Steffen Hebestreit

Auf einem Schnellboot der Marine überfallen vier Matrosen ihren Bootsmann und quälen ihn. Der ist thailändischer Herkunft, aber ein fremdenfeindliches Motiv soll der Vorfall nicht haben. Übergriffe in der Bundeswehr kommen immer wieder vor.
In der Bundeswehr sprechen sie von einem gravierenden Vorgang. An einen tätlichen Angriff auf einen Vorgesetzten können sich selbst altgediente Offiziere der Truppe nicht erinnern. „Das ist eine absolute Ausnahme, darüber gibt es nicht einmal eine Statistik“, sagt ein Offizier.
Tatsächlich wirft der Fall, der sich am Abend des 15. Februar auf einem Schnellboot der Marine im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut zugetragen hat, viele Fragen auf. Die „Hermelin“ befindet sich gegenwärtig im Auftrag der UN im Einsatz vor der Küste des Libanon. Nach ersten Ermittlungen der Bundeswehr zogen vier Besatzungsmitglieder ihren Vorgesetzten, einen jungen Bootsmann, aus seiner Koje. Sie trugen den Mann zu einem Tisch, hielten ihm den Mund zu, fixierten ihn mit einem Spanngurt und mehreren Stücken Klebeband, bevor sie auf ein Bein den seltsamen Spruch pinselten: „Hier wohnen die Mongos.“
Zwei der beteiligten Obermaate sollen von dem Vorfall mit ihren Handys sogar Fotos gemacht haben. Andere Kameraden auf dem engen Boot, denen der Vorfall kaum verborgen geblieben sein konnte, kamen dem Mann zunächst nicht zu Hilfe.
Missstände und Exzesse
rgendwann sollen Kameraden den Bootsmann, der auf dem Tisch gefesselt war, befreit haben. Als er den Vorfall seinen Vorgesetzten meldete, begannen die internen Ermittlungen. Da der Bootsmann thailändischer Abstammung ist, stellt sich die Frage, ob der Übergriff der vier Soldaten einen fremdenfeindlichen oder rechtsextremistischen Hintergrund haben könnte. Überdies fragt man sich, weshalb keiner seiner Kameraden eingeschritten ist.

Staatsanwaltschaft ermittelt
Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr, das in diesem wie in allen anderen Fällen von Auslandseinsätzen zuständig ist, glaubt nicht an ein fremdenfeindliches Motiv. Der Verdacht habe sich nicht erhärtet, hieß es in Potsdam. Auslöser des Überfalls sollen vielmehr wiederholte Beschimpfungen der Männer durch ihren Vorgesetzten gewesen sein. Die vier Beschuldigten gaben an, von ihm des Öfteren als „Mongos“ beleidigt worden zu sein. Mongo gilt in der Jugendsprache als derber Ausdruck für jemanden, der unter Trisomie-21 leidet. Deshalb habe man ihm wohl eine Lektion erteilen wollen.
Eine Lektion, die die vier nicht nur den Job kosten, sondern ihnen auch eine Freiheitsstrafe einbringen könnte. Der Inspekteur der Marine, Axel Schimpf, kündigte harte Ermittlungen an. Er dulde solches Verhalten in der Marine nicht, sagte er. Die Bundeswehr hat den Fall bereits an die zuständige Staatsanwaltschaft in Rostock übergeben. Gegen die vier läuft ein Ermittlungsverfahren wegen eines tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten, was nach Paragraf 25 des Wehrstrafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis drei Jahren geahndet werden kann. Den vier Obermaaten droht überdies die unehrenhafte Entlassung aus der Bundeswehr.
Das Quartett ist bereits zurück an seinen Heimatstandort in Warnemünde beordert worden, während der betroffene Bootsmann weiter mit der übrigen Crew in den Gewässern vor Libanon seinen Dienst versieht.

"Keine Klassenkeile bei der Bundeswehr"
In der Truppe bemühte man sich am Mittwoch, den Eindruck zu verwischen, dass Straflektionen unter den Soldaten an der Tagesordnung seien und über solche Vorfälle hinweggesehen werde. „Unabhängig davon, was wir aus Hollywood-Filmen kennen, gibt es bei der Bundeswehr keine Klassenkeile oder sowas“, sagte ein Marine-Offizier im Gespräch mit dieser Zeitung. Deshalb werde gegenwärtig auch sehr genau geprüft, ob die anderen etwa 30 Seeleute auf der „Hermelin“ von dem Vorfall tatsächlich nichts mitbekommen hätten.
Gewalttätige Übergriffe in der Bundeswehr kämen immer wieder vor. In der Regel handele es sich aber um Streitigkeiten zwischen Einzelnen, verlautete in Kreisen der Streitkräfte. „Nach einem Bier zu viel kann es schon mal zu Handgreiflichkeiten kommen.“ Völlig untypisch sei allerdings, wie in diesem Fall im Hafen von Beirut, dass sich gleich vier Leute auf einen Kameraden stürzten. Auch das werfe Fragen auf.
Im aktuellen Bericht des Wehrbeauftragten sind eine Reihe von Vorfällen aufgeführt, in denen sich Vorgesetzte gegenüber ihren Untergebenen unangemessen verhalten hätten. Doch eine Tätlichkeit führt der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) nicht auf. „Verbale Entgleisungen“ gebe es in der Truppe aber nach wie vor, konstatierte Königshaus.

Zuletzt geändert am: Mar 02 2013 um 8:39 PM

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