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Kriegsgeheul und Säbelrasseln

Veröffentlicht von Friedensrat (admin) am Aug 07 2016
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Aus: Ausgabe vom 29.07.2016 , Seite 12 / Thema

Kriegsgeheul und Säbelrasseln

»Verantwortung« für die ganze Welt zu übernehmen - das ist seit dem Anschluss der DDR die Idee der Bundeswehr. Von den Verteidigungspolitischen Richtlinien aus dem Jahr 1992 bis zum Weißbuch 2016

Von Otto Köhler
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Klaus Naumann, Generalinspekteur von 1991 bis 1996, wies den Weg und verlangte früh schon Einsätze der Bundeswehr weltweit

Lesen Sie am nächsten Freitag von Otto Köhler: Von der Leyens neue Medizin. Das Weißbuch der Bundeswehr verordnet eine bewährte Arznei fürs deutsche Volk.

Otto Köhler schrieb an dieser Stelle zuletzt am 7.4. über das Buna-Werk Auschwitz.

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»Was wir jetzt allerdings nicht tun sollten, ist, durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt.« Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zum NATO-Großmanöver »Anakonda 2016« direkt an Russlands Grenze. (Bild am Sonntag, 19. Juni 2016).

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Und dann zog auch noch der Militärclown des Deutschlandfunks sein Fazit: »Außenminister Frank-Walter Steinmeier stänkert gegen die NATO und wirft ihr ›Säbelrasseln und Kriegsgeheul‹ gegen Russland vor. Da haben die AfD und die Linke aber jubelnd aufgeheult, als der Steinmeier seinen russischen Säbelrassel-Kasatschok getanzt hat – in Liebe zu Zar Wladimir, dem ersten Putin. Wenn die SPD nun alles abdeckt, von AfD bis Linke – und somit unsere erste richtige Völkx- äh: Volks-Partei wird, kann die CDU ja ganz gelassen die zivilisierte Partei der Mitte bleiben.«

Klaus Pokatzky, Ehrenfeldwebel des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung, räumte so am 24.6. in der Sendung »Corso« die deutsche Welt auf. Er ist als Altlast vom RIAS fest angestellt beim Deutschlandradio und zugleich als Medientrainer in Lohn und Brot bei des für die Ausbildung zur psychologischen Kriegsführung zuständigen Zentrums Informationsarbeit Bundeswehr. Pokatzky (»Ich jedenfalls bin sehr stolz auf meine Bundeswehr«) hat mit seiner Zurechtweisung des Außenministers ebenso seine Pflicht getan wie seine Kameraden in Strausberg auf ihrem jeweiligen Feld der Ehre.

Der General …

Auf so einem Feld steht Klaus Naumann, der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, der schon immer so denkt. Der Vier-Sterne-General a. D. der nach zuverlässigen Angaben von »Wir. Dienen. Deutschland« seit 1991 die »strategische Neuausrichtung« der Bundeswehr »gestaltete« und sich für die »Wahrnehmung internationaler Verantwortung« einsetzte, reaktivierte sich am 9.7. im Interview mit dem Deutschlandfunk zur Abwehr gegen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.

»Was jetzt getan werden muss, ist, gegenüber dem Rechtsbrecher und mit Gewalt Grenzveränderer Russland deutlich zu machen, dass es nicht weitergeht und dass keine weiteren Verstöße dieser Art hingenommen werden können. Wir sollten hier nie vergessen, wer die Ursache gewesen ist. Grenzen«, so log der General, der schon bei der Zerschlagung Jugoslawiens dabei war, »sind nur durch Russland in Europa einseitig mit Gewalt verändert worden«.

Irgend etwas müsse doch dran sein, fragte da behutsam der Interviewer, wenn auch der Außenminister »im Moment den Eindruck gehabt« habe, er müsste der NATO Säbelrasseln und Kriegsgeheul vorwerfen. Ja, ist denn Steinmeier verhext, von einem Dämon befallen? Der Deutschlandfunk wollte von Naumann wissen, wie es sich erklären ließe, dass der deutsche Außenminister »solche Worte wählt«.

Der General gab sich so zurückhaltend wie nur irgend möglich: »Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Will er antiamerikanische Wähler für die SPD gewinnen, oder will er sich positionieren als Friedensfürst? Mir fehlt jede Begründung für die Äußerung dieses ansonsten von mir als ausgewogen und vernünftig geschätzten Mannes, der offensichtlich hier jenseits aller Tatsachen irgendwelches polemisches Geheule in die Welt gesetzt hat.«

Da musste der General »ehrlich sagen, ich verstehe die Äußerung unseres Außenministers wirklich nicht«. Steinmeier, eine glatte Fünf. Setzen! Oder, so formulierte es der immer noch herumkommandierende Exgeneralinspekteur: »Also, wer hier glaubt, dass man Henne und Ei verwechseln kann, der« – der Außenminister – »muss wirklich noch mal seine Schularbeiten machen«. Versetzung ins Bundespräsidialamt gefährdet.

Von dem Herrn, der noch drinsitzt, stammt eine der nachhaltigsten Sprachschöpfungen seit den Bemühungen des Dr. Joseph Goebbels. Sie lautet: »Mehr Verantwortung«. Mit diesem Ruf schuf Joachim Gauck auf der Münchner »Sicherheitskonferenz« ein nunmehr allgemein verständliches Synonym für Deutschlands neue Kriege. Steinmeier war damals dabei. Spät, aber nicht zu spät, dass ihm heute Kriegsgeheul doch auf den Nerv geht.

Deutschland hat die Führung eines der »Anakonda«-Bataillone inne. Der Deutschlandfunk fragt: »Ist das eine neue Politik, also übernimmt die Bundesrepublik, übernimmt Deutschland damit jetzt mehr Verantwortung?« Der Exgeneralinspekteur, immer in Diensten, antwortet: »Ja, Deutschland übernimmt mehr Verantwortung, das ist richtig, und das ist höchste Zeit, dass das geschieht.« Und da kommt er von seinem Ei zur Henne. Naumann: »Wir sind eines der größten Länder Europas, wir waren jahrelang oder jahrzehntelang Nettoimporteur von Sicherheit durch unsere Verbündeten – ich erinnere an die Situation des Kalten Krieges, vor allem an den Beginn der Bundesrepublik Deutschland.«

Unsinn, in Wahrheit hat diese Bundesrepublik, viele Monate, bevor sie entstanden wurde, schon kräftig exportiert. Hitlers genialen Spionagegeneral Reinhard Gehlen etwa – er wurde noch 1945 in die USA netto und brutto – sein alter Anhang war dabei – importiert und machte Stalins bisherigen Verbündeten klar, dass die Sowjetunion mit frischen Divisionen bereitstünde, bis zum Atlantik durchzustoßen und zugleich im Nahen und Fernen Osten eine Offensive zu beginnen. Der Kalte Krieg war geboren, die »Organisation Gehlen« kam auf die Welt, wurde in den Dienst der US-Spionage gestellt und lebt bis heute als Bundesnachrichtendienst weiter.

»Und dass wir nun unseren Verbündeten«, sagte jetzt der General im Interview, »Beistand zusichern und das auch zeigen, ist, glaube ich, nichts weiter als das Leben des defensiven Charakters des NATO-Bündnisses und der Verpflichtung, die Deutschland nach Artikel 5 des NATO-Vertrags hat.« An dieser Stelle konnte sich der Deutschlandfunk-Reporter bei Herrn Naumann nur noch »ganz herzlich« bedanken für das Gespräch.

… und sein Minister

 

Diesen Herrn Naumann hatte Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg am 1. Oktober 1991 – ziemlich genau ein Jahr nach der Restaurierung Deutschlands durch den Anschluss der DDR an die Bundesrepublik – zum Vier-Sterne-General und Generalinspekteur jener Armee der Einheit gemacht, die bereits ungeduldig im Stand marschierte.

Stoltenberg, mit dem sich Naumann vorzüglich verstand, musste am 31. März 1992 wegen Waffenlieferungen an die Türkei (Panzer gegen die Kurden) zurücktreten. Wenige Wochen nach der Ernennung des Nachfolgers Volker Rühe, eineinhalb Jahre nach dem Anschluss, sprach Naumann in der »Heldenstadt« Leipzig auf der 33. Kommandeurtagung den neuen Auftrag der Armee der Einheit aus: die »Notwendigkeit, sich in Teilen der Bundeswehr auf jederzeitigen Einsatz auch außerhalb Deutschlands einzustellen«. Ein solcher Einsatz sei »nicht länger entfernte Option«, sondern »eine Möglichkeit, die für den einen oder anderen morgen Wirklichkeit werden kann«. Auch der Heldentod, der sich im Mai 1945 endgültig davongemacht zu haben schien, stand wieder vor der Tür, der Generalinspekteur: »Die letzte Konsequenz soldatischen Dienens, nämlich die Anwendung von Gewalt und damit höchste physische und psychische Anforderungen sowie Gefahr für Leib und Leben, dürfen wir nicht länger verdrängen oder tabuisieren.«

Unmittelbar nach seiner Ernennung zum Generalinspekteur im Oktober 1991 hatte Naumann ein Papier mit dem Titel »Militärpolitische und militärstrategische Grundlagen und konzeptionelle Grundrichtung der Neugestaltung der Bundeswehr« ausgearbeitet. Darin war als deutsches »Sicherheitsinteresse« die »Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen« festgelegt worden.

Dass ihnen ein neues Aggressionskonzept untergejubelt wurde, hatten die Sozialdemokraten schlicht verschlafen. Das war aber auch so vorgesehen. Dieses Schlüsseldokument der neodeutschen Militärgeschichte wurde zwar dem Parlament pflichtgemäß zugänglich gemacht, aber so, dass es möglichst keiner merkte. Am 20. Januar 1992, nur ein Vierteljahr, nachdem Naumann Generalinspekteur geworden war, jubelte er den Mitgliedern des Verteidigungspolitischen Ausschusses (VA) sein Papier so unter, dass sie es nur mit Mühe zur Kenntnis nehmen konnten – »falls sie es fanden, denn geschickterweise war es unter einem Berg von Unterlagen versteckt, wie VA-Mitglieder Jahre danach bestätigten«, so 1997 der Militärexperte Jürgen Grässlin, in seinem Buch »Lizenz zum Töten? Wie die Bundeswehr zur internationalen Eingreiftruppe gemacht wird«.

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Was der General forderte, trat wenig später ein: Die Bundeswehr übernimmt »Verantwortung« in Somalia (Volker Rühe, Verteidigungsminister von 1992 bis 1998, bei seinem Truppenbesuch im Dezember 1993 in dem afrikanischen Land)

Ohne förmliche Zustimmung des Bundeskabinetts erließ Rühe Ende November 1992 die »Verteidigungspolitischen Richtlinien«, ein 34seitiges Dokument, das voll auf dem Naumann-Papier beruhte. Die Öffentlichkeit nahm das kaum zur Kenntnis. Ich schrieb darüber vier Monate später in konkret (3/1993), die Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland erwähnte die Richtlinien erstmals sechs weitere Monate später – allerdings am richtigen Ort: im Wirtschaftsteil unter der verheißungsvollen Überschrift »Was die Wehrtechnik an Aufträgen erwarten kann«. Das war eine korrekte Anwendung des Naumann-Diktums, es gebe nur noch »zwei Währungen in der Welt: wirtschaftliche Macht und die militärischen Mittel, sie durchzusetzen«.

In den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« taucht schon das neue Wort für Krieg auf, damals noch abgemildert durch die Vorsilbe »Mit-«. »Unsere Soldaten«, so heißt es da, »müssen künftig aber auch bereit sein, in einer eng verflochtenen Welt Mitverantwortung für die bedrohte Freiheit und das Wohlergehen anderer Völker und Staaten zu übernehmen.«

Damals, 1993, versuchten »unsere Soldaten«, diesen imperialen Auftrag noch unter humanitärer Tarnung (Brunnenbohren und so) zu absolvieren. Doch Volker Rühe stolperte im Dezember 1993 bei einem Truppenbesuch im Wüstensand von Somalia. Seither betrachtete der entschlossene Generalinspekteur seinen tollpatschigen Minister nur noch mit der Verachtung, mit der er schon bald nach Amtsantritt bei einer Kommandeurstagung im Mai 1992 von »Weinerlichkeit und Verzagtheit« in Truppe und Führung gesprochen hatte.

Ein ehrlicher Präsident …

Achtzehn Jahre später, im Mai 2010, trat Horst Köhler verärgert von seinem Amt als Bundespräsident zurück. Ein Shitstorm von Kritik hatte sich über den Ärmsten ergossen, weil er in einem Interview mit dem Deutschlandradio ausgesprochen hatte, dass »im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege«. Wir vom PEN, der Schrifstellervereinigung in Deutschland, tagten wenige Tage später in Münster, der Stadt des Westfälischen Friedens von 1648. Ich brachte einen Antrag ein, Horst Köhler Dank auszusprechen, weil er für die Öffentlichkeit endlich den wahren Auftrag der Bundeswehr ausgesprochen hatte. Totale Ablehnung. Das sei Satire, unseriös. Wir müssten vielmehr protestieren. Schärfstens. Ich korrigierte: »auf das allerschärfste« heißt das in korrektem Resolutionsdeutsch. Man einigte sich auf irgendeinen Protestantrag, wie so viele, die Horst Köhlers Verdienst unterschlugen. Zwei Tage später trat Horst Köhler zurück. Hätten die wackeren PEN-Intellektuellen und -Intellektuellinnen auf mich gehört, vielleicht wären uns Joachim Wulff und Christian Gauck erspart geblieben.

Tatsächlich hatte Horst Köhler nichts anderes gesagt als das, was Generalinspekteur Klaus Naumann schon achtzehn Jahre zuvor in den Verteidigungspolitischen Richtlinien in Punkt 8 (von 53) über den neuen Auftrag für die Bundeswehr formulierte: »Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung«.

Das war – und ist – natürlich ein Kriegsprogramm des Nordens gegen den Süden, die deutsche Wirtschaft braucht wieder das Militär, um ihren Absatz und ihre Rohstoffquellen zu sichern – Horst Köhler, dieser unschuldige Parzival, hatte das richtig verstanden.

Die »Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Zukunft« dient – so Richtlinie 2 – einem »ganzheitlichen Ansatz von Schützen und Gestalten«. Auftrag der Bundeswehr ist also nicht mehr die »Verteidigung« allein – das Schützen, sondern auch die Formung dessen, was eigentlich nur geschützt werden soll – das Gestalten. Das Militär übernimmt die Aufgabe der Politik. Und die Bundeswehr ist nach diesen Richtlinien nicht nur dazu da, die – was immer das auch sein mag – »Grundwerte Deutschlands« zu bewahren, sondern auch »seine Interessen durchzusetzen«. Das heißt, Politik nach außen zu betreiben – durch die Bundeswehr.

Der wilhelminische Schlachtruf, mit dem die europäischen Großmächte in Deutschlands Kampf um seinen Platz an der Sonne eingebunden werden sollten, hieß »Völker Europas, wahrt eure heiligsten Güter«. In den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« wurde dieser Schrei nach der Weltmacht nur unwesentlich geändert, prosaischer formuliert. Für das »Streben Europas nach Einheit, Freiheit und Wohlstand« appellieren sie an einen »Willen der Europäer, ihre ureigenen Sicherheitsinteressen gemeinsam zu wahren«. Und deshalb muss die Bundeswehr »neben ihrer festen Einbindung in die NATO auch eine europäische Dimension« entwickeln.

Zugleich soll die NATO – unverzichtbar weiterhin – »die neuen strategischen Trends stärker in ihrem Rollenverständnis reflektieren«. Das bedeutet, sie muss »mehr Relevanz für Krisen und Konflikte im erweiterten geographischen Umfeld entwickeln«. Das Militärbündnis hat sich also über ihr Vertragsgebiet hinaus mit deutscher Beteiligung so gut wie überall in der Welt einzumischen.

Die Bundeswehr muss seither dem deutschen Handel – falls erforderlich – weltweit die Wege freischießen. Denn Streitkräfte werden in den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« definiert nicht nur als Instrument, »Risiken und Konflikte« zu bewältigen, sondern zuallererst als Instrument, »Chancen wahrnehmen« zu können. Sie sollen nicht mehr die »alleinige Fähigkeit« zur immerhin schon »umfassenden Verteidigung gegen eine ständig drohende Aggression« besitzen, sondern darüber hinaus zur – was immer das wiederum heißen mag – »flexiblen Krisen- und Konfliktbewältigung im erweiterten geographischen Umfeld«.

Dieses »erweiterte geographische Umfeld« ist die wiederholt auftauchende neue Zauberformel, um die Bundeswehr überall in der Welt zuschlagen zu lassen, sogenannte »humanitäre Einsätze« inklusive. Und das bedeutet (Leitsatz 39): »Angesichts multidimensionaler und -direktionaler Risiken müssen Streitkräfte handlungsorientiert gestaltet werden.« Handlungsorientiert, das heißt: Es gibt so gut wie nichts mehr auf dieser Erde, was »unsere« Streitkräfte nicht zum Einsatz veranlassen könnte. Denn das legt der Leitsatz 39 ausdrücklich auch fest: »Das Handlungserfordernis wächst mit dem Intensitätsgrad der Risiken, der sich aus der Kombination von Wahrscheinlichkeit und Bedrohlichkeit ergibt.« Je mehr also Wahrscheinlichkeiten bedrohlich erscheinen oder Bedrohlichkeiten wahrscheinlich, desto mehr Handlungserfordernisse erwachsen den Streitkräften zum Einsatz außerhalb Deutschlands.

… und ein schuldbeladener Oberst

1995 sprach Generalinspekteur Naumann in einem Vortrag aus, wie er nach den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« die Aufgabe des deutschen Soldaten versteht, »der fern der Heimat versucht, Krisen von seiner Heimat fernzuhalten, die während seines Einsatzes weiter im Frieden lebt«. Das sei eine »neue Dimension für deutsche Soldaten, die ähnliches in diesem Jahrhundert bislang nur zweimal vor 1945 erlebten« (Welt am Sonntag vom 24.10.1995). Die beiden Weltkriege kann der oberste Militär damit nicht gemeint haben. Der gemäßigte, also nicht notwendig kriegsbegeisterte Sozialdemokrat Günter Verheugen sprach es vor dem Sicherheitspolitischen Forum des Deutschen Bundeswehrverbandes unsozialdemokratisch klar aus, was der von ihm »persönlich hochgeschätzte« General damit gesagt hatte: »Er (Naumann) wies darauf hin, dass deutsche Streitkräfte ähnliches in diesem Jahrhundert vor 1945 nur zweimal erlebt hätten – und jetzt wieder seit 1992. Mit Beispielen vor 1945 sind die deutsche Beteiligung an der Niederschlagung des Boxeraufstandes in China 1900 und der Ausrottungskrieg gegen die Hereros im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika 1904 gemeint.«

Solches Denken, beschwor Verheugen den Generalinspekteur, dürfe in die Bundeswehr keinen Einzug halten. Doch Klaus Naumann hat genau gewusst, was er sagte und meinte. Wie 1900 in China der sogenannte »Boxeraufstand« niedergeschlagen wurde, das weiß ein General, der als »Liebhaberei« neben »Politik« auch »zeitgenössische Geschichte« angibt. Er weiß, wie Kaiser Wilhelm seine gehorsamen Soldaten verabschiedete: »Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht. Führt die Waffen so, dass auf tausend Jahre hinaus kein Chinese es mehr wagt, einen Deutschen scheel anzusehen.« Und so geschah es, als die Deutschen zusammen mit einem – schon damals – europäischen Expeditionskorps in Peking einmarschierten. Für jeden aufständischen »Boxer« wurden 15 unbeteiligte Männer, Frauen und Kinder umgebracht. Und in dem anderen von Naumann gemeinten Krieg wurden vom krisenfernhaltenden deutschen Soldaten die Männer der Hereros erschossen und die Frauen und Kinder zum Verdursten in die Wüste getrieben.

Ein Leitbild, dem in diesem Jahrhundert, wie Generalinspekteur Naumann es 1995 empfahl, auch der deutsche Soldat in Afghanistan folgt. Dort, wo Bundeswehroberst Georg Klein 2009 mit dem schlichten Befehl »Vernichten!« über 120 Männer, Frauen und Kinder durch einen Luftschlag ums Leben brachte. Und dafür von Naumanns Nachfolgern vom Obersten zum General befördert und im Verteidigungsministerium mit der Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr betraut wurde. Dem Deutschlandfunk aber müssen wir alle dankbar sein, der solch einen innerlich gefestigten und unerschütterbaren Mann wie General Naumann als Kronzeugen gegen die weinerliche Friedensduseligkeit des deutschen Außenministers auftreten lässt. Er könnte die Hörer des Senders sicherlich auch schon bald über die Vorzüge des neuen Weißbuchs der Bundeswehr aufklären.

Zuletzt geändert am: Aug 07 2016 um 7:00 PM

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