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Kindesmissbrauch durch Soldaten |
Veröffentlicht von Friedensrat (admin) am Jun 01 2015 |
Französische Soldaten sollen in einem afrikanischen Flüchtlingscamp Sex von hungernden Kindern verlangt haben. Obwohl sie informiert wurde, blieb die Uno rund ein Jahr lang tatenlos. Nun geht sie gegen jene vor, die den Skandal öffentlich machten.
Die Anschuldigungen sind gravierend: Seit 2013 bis möglicherweise ins laufende Jahr sollen französische Soldaten von hungernden Kindern Sex erpresst haben. Die Soldaten waren als Hilfstruppen in einem Flüchtlingscamp in Bangui in der Zentralafrikanischen Republik eingesetzt. Obwohl die Vorwürfe früh gemeldet wurden, blieben Ermittlungen aus: Sie versandeten in den Mühlen der Bürokratie des Uno-Kommissariats für Menschenrechte (UNHCHR) und von französischen Behörden.
Kompass war frustriert darüber, wie seine eigene Organisation mit dem Thema umging. Er gab die Informationen weiter, weil er davon ausging, dass weder die UNHCHR noch die Befehlshaber der französischen Truppen vor Ort irgendetwas gegen den möglicherweise fortgesetzten Missbrauch unternehmen würden. Fast ein Jahr nach seiner ungenehmigten Informations-Weitergabe zeigt sich nun, dass er damit absolut richtig lag.
Die Vorwürfe: Erpresster Missbrauch gegen Nahrung
Was da ein Jahr lang nicht an die Öffentlichkeit drang, ist gravierend. Nachdem sie wiederholt von angeblichen Missbrauchsfällen gehört hatten, die sie vergeblich meldeten, begannen Uno-Helfer im Flüchtlingslager von Bangui zwischen dem 19. Mai und dem 24. Juni 2014 damit, Zeugenaussagen zu sammeln.
Vierzehn Kinder im Alter zwischen 8 und 15 Jahren berichteten den Helfern, französische Soldaten hätten von ihnen Oral- und Analsex im Tausch gegen Nahrungsmittel, Trinkwasserflaschen und Geld verlangt. Die Helfer erfassten 14 Fälle von erpresstem, teils wiederholtem Oralsex und zwei Fälle von Analverkehr. Siebenmal wurden Kinder demnach mit Nahrungsmitteln "bezahlt", sechsmal wurde ihnen Geld zugesteckt, in acht Fällen gar nichts.
Die Kinder konnten zehn der mutmaßlichen Täter beschreiben, von sechs weiteren wussten sie sogar Namen.
Nicht alle der befragten Kinder fanden die passenden Worte für das, was die Soldaten mit ihnen getan hatten - sie mussten es umschreiben. Manche der Jüngsten waren sich während des Missbrauchs nicht darüber im Klaren, was mit ihnen geschah. Ein Junge berichtete, dass er das erst begriffen habe, als seine Mutter ihn für das "Böse" geschlagen habe, von dem er ihr erzählt hatte.
Als auch Wochen, nachdem die Helfer die Vorwürfe nach Genf gemeldet hatten, nichts geschah, handelte ihr Vorgesetzter, Anders Kompass, auf eigene Initiative.
Für die Vereinten Nationen ist Kompass' Suspendierung angeblich ein rein disziplinarisches Thema. Er sei suspendiert worden, weil er die Hierarchiewege nicht eingehalten habe. Zudem habe er bei der Weitergabe der Informationen die Namen der minderjährigen Zeugen nicht genügend anonymisiert - ein "erheblicher Verstoß gegen das Protokoll".
Ein Jahr völlige Untätigkeit
Der Fall bringt nun UNHCHR-Vize Flavia Pansieri in Bedrängnis. Am 26. März entschuldigte sie sich in einer internen und vertraulichen Stellungnahme dafür, den Vorwürfen gegen die französischen Soldaten bisher nicht nachgegangen zu sein: Sie selbst sei bis Anfang März "durch andere Themen einschließlich Budget-Kürzungen abgelenkt" gewesen. Zudem sei sie davon ausgegangen, dass "die Franzosen" die Vorwürfe verfolgten.
Die bestritten Mitte der Woche, die Ermittlungen gegen die vermeintlichen Täter zu verschleppen. Die UNHCHR habe die für die Überprüfung der Vorwürfe nötigen Informationen erst am 29. April 2015 geliefert, behauptet die Generalstaatsanwaltschaft in Paris.
"Niemand in der Befehlskette", resümierte Mitte der Woche Beatrice Edwards von der Non-Profit-Organisation Government Accountability Project, "unternahm irgendetwas, bis Kompass das tat. Sie dokumentierten, beobachteten und berichteten, obwohl die Missbräuche abscheulich waren und weitergingen."
Die angemessene Reaktion wurde bürokratisch verhindert
Tatsächlich erschienen schon wenige Wochen nach Kompass' Informationsweitergabe französische Ermittler in Bangui, um den Vorwürfen nachzugehen. Doch der Zugang zu dem Flüchtlingscamp wurde ihnen von Uno-Soldaten verweigert. Sie sollten sich zunächst an die UNHCHR in Genf wenden, ließ man die Fahnder wissen. Denn die französischen Kontingente, um die es gehe, seien nicht direkt der Uno unterstellt. Aus gleichem Grund meldeten die Kommandanten der Uno-Friedensmission vor Ort den französischen Ermittlungsversuch offenbar gar nicht erst an die Zentrale in Genf.
Die übergab den französischen Ermittlern schließlich im März 2015 den Bericht, den diese von Kompass bereits im Juli 2014 durchgereicht bekommen hatten. Die Rückfragen der französischen Fahnder beantwortete die UNHCHR dann erst Ende April 2015. So unterblieb die Untersuchung der spätestens seit Juli 2014 bekannten Vorwürfe, bis es zum öffentlichen Skandal kam.
Helfer haben nun Angst, Missbräuche zu melden
Wo die teils detailliert beschriebenen, zum Teil sogar namentlich bekannten Täter heute sind, ist nicht bekannt. Festgenommen wurde offenbar niemand. Das Einzige, was umgehend erfolgte, war die Disziplinarmaßnahme gegen den Helfer, der all das schon im Sommer letzten Jahres nicht länger hinnehmen wollte.
Das sorgt nun für zunehmende Unruhe unter Uno-Mitarbeitern: In einem namentlich gezeichneten Brief mehrerer Helfer an den Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Raad al-Hussein, machten sie klar, dass sie um ihre Jobs fürchteten, wenn sie Informationen dieser Art wie eigentlich gefordert meldeten.
Brown war zur Zeit der Entdeckung der Missbrauchsfälle geschäftsführende Direktorin der UNHCHR in Afrika und direkt Kompass unterstellt. Intern hatte sie mehrfach den Umgang mit Whistleblowern kritisiert. Laut Brown hat die UNHCHR sie inzwischen mehrfach eingeladen, im Rahmen der Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe auszusagen.
Das Aussitzen des Skandals dürfte inzwischen unmöglich sein. Am Freitag veröffentlichte die Hilfsorganisation Aids Free World im Rahmen ihres Transparenz-Projektes "Code Blue" nicht nur eine detaillierte Dokumentation des Falles Kompass , sondern auch "geleakte" Dokumente der Uno - interner Briefverkehr inklusive. Was die UNHCHR-Bürokratie bisher an Akten im Fall der missbrauchten Flüchtlingskinder produzierte, ist natürlich "streng vertraulich". Eilig war es dagegen offenbar nicht.
Zuletzt geändert am: Jun 01 2015 um 6:37 PM
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