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Deutsch Französische Brigade: Es ist nicht schön, Soldat zu sein |
Veröffentlicht von Friedensrat (admin) am Jun 01 2015 |
> Deutsch-Französische Brigade
Feldwebel misshandelt Soldaten in Müllheim – Geldstrafe
Täglich Beleidigungen, täglich Schläge: Wochenlang hat ein Feldwebel der Deutsch-Französischen Brigade in Müllheim seinen Untergebenen gedemütigt – doch er kommt mit einem Strafbefehl davon.
Das war doch alles nur Kumpanei: den Gefreiten einen Idioten, Depp, Trottel nennen; ihm mal mit der flachen Hand auf den Hinterkopf hauen; gegen die Schulter mit der Faust knuffen. Ach, und der Tritt gegen das Schienbein – das sei nur einmal passiert und nur aus Versehen. Alle anderen Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen, bloß erfunden. Der Feldwebel der Deutsch-Französischen Brigade, der in Müllheim vor dem Amtsgericht unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt ist, versucht der Richterin Stefanie Ulrich weiszumachen, dass sie es in seinem Fall nur mit dem rauen, aber herzlichen Alltag in der Bundeswehrkaserne zu tun hat.
Deshalb hat er auch den Strafbefehl, den die Staatsanwaltschaft gegen ihn beantragt hatte, nicht akzeptiert. Und eigentlich kann er gar nicht verstehen, warum ihn seine ehemaligen Kameraden so anschwärzen. Ja, heute wisse er, dass er die Übergriffe besser unterlassen hätte – "aber das war doch nie ernst gemeint", beteuert er am Donnerstag vor Gericht. So sei eben der kameradschaftliche Umgang miteinander.
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Die Aussage des Hauptbetroffenen, eines Gefreiten, der inzwischen aus der Bundeswehr ausgeschieden ist, macht aber allen im Saal schnell klar, dass diese "Kameradschaft" einseitig war. Der 26-Jährige, der wieder in einer zivilen Ausbildung steckt, schildert als tägliches Martyrium, was er im Sommer 2012 in der Müllheimer Kaserne, auf der Eschbacher Schießanlage und auf dem fränkischen Truppenübungsplatz Wildflecken durch seinen Vorgesetzten aushalten musste.
"Arschloch, Wichser, fette Schwuchtel", diese Beschimpfungen habe er sich zwischen Juli und September 2012 von dem Feldwebel anhören müssen, mit dem er schon längere Zeit ein Büro teilte. Mindestens zehnmal am Tag sei er beleidigt worden. Der zehn Jahre ältere Feldwebel ließ sich damals, vielleicht ausgelöst durch Eheprobleme, immer stärker gehen. Er sei zudem handgreiflich geworden: Täglich verpasste er seinem Untergebenen, so berichtet dieser, Schläge auf den Hinterkopf, unvermittelt trat er heftig gegen dessen Schienbein – wohl wissend, dass dies den Gefreiten wegen einer Erkrankung besonders schmerzte. Öfters habe er ihn mit der Faust gegen die Brust oder in den Magen geschlagen. All dies geschah mal in der Raucherecke, wo beide zusammenstanden, mal im Büro, wenn die Gelegenheit günstig war. Dessen Tür stand zwar stets offen, es lag sogar direkt gegenüber dem Zimmer des Kommandeurs – doch niemand will von Misshandlungen etwas mitbekommen haben.
Auf dem Truppenübungsplatz eskalierte die Gewalt nach Auskunft des Opfers weiter: Es gab Ohrfeigen, der Feldwebel trat ihn mit dem Kampfstiefel mit aller Wucht in den Hintern. Einen anderen Gefreiten schlug er mit einem Antennenstab. Immer wieder sei er dabei alkoholisiert gewesen – obwohl der Unteroffizier zuvor behauptet hatte, im Dienst habe er nie getrunken. Allenfalls ein, zwei "Dienstschlussbiere" habe er sich erlaubt.
Der Gefreite wehrte sich nicht, beschwerte sich auch nirgends – er fürchtete, die Vorgesetzten seien doch nur Kumpel des Feldwebels. Er suchte lediglich ärztliche und psychologische Hilfe. Aber im September hielt er es nicht mehr aus und wandte sich an einen anderen Feldwebel, den er als echten Kameraden schätzte: Er solle doch mit seinem Vorgesetzten reden, damit dieser mit den Beleidigungen, den Schlägen, der ganzen entwürdigenden Behandlung aufhöre. Der Feldwebel sprach mit seinem Kollegen – danach endeten in der Tat dessen Ausfälle. An den Kommandeur weitergemeldet wurden die Übergriffe jedoch nicht – das wollte auch der Gefreite nicht.
Erst im Sommer des folgenden Jahres erfuhr der Müllheimer Kommandeur davon: Er hatte den Gefreiten gefragt, warum er nicht bei der Bundeswehr bleiben wolle. Da gab der Soldat als Grund an, er wolle nicht noch einmal Beleidigungen und Misshandlungen wie durch den Feldwebel erleben. Seit dieser Auskunft befassen sich die Staatsanwaltschaft, aber auch der Wehrbeauftragte des Bundestags, der sich um solche Vorfälle kümmert, und die Disziplinarkammer der Bundeswehr mit dem Fall. Der Feldwebel erhielt im vergangenen Jahr einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen. Er wäre damit vorbestraft. Also legte er Einspruch ein. Denn er bereitet sich auf einen Zivilberuf als Fahrlehrer vor – was ihm mit einer Vorstrafe verbaut wäre.
Die Aussage des Opfers veranlasste Richterin Stefanie Ulrich frühzeitig zum Hinweis: Wenn sie alle Straftaten einzeln bewerte, drohe dem Angeklagten womöglich eine längere Haftstrafe auf Bewährung. Und Staatsanwalt Michael Mächtel ließ durchblicken, dass nach heutigem Wissen – die Disziplinarkammer der Bundeswehr hatte eigenständig ermittelt – der Strafbefehl zu milde ausgefallen sei. Da kamen auch dem Verteidiger des Feldwebels, der zuvor die Glaubwürdigkeit der belastenden Zeugen angreifen wollte, Zweifel – er überzeugte seinen Mandanten davon, besser doch den Strafbefehl anzunehmen. So wurde die Hauptverhandlung noch am Donnerstag mitten in der Vernehmung des ersten Zeugen abgebrochen.
Die Sache ist für den vom Dienst freigestellten Feldwebel damit aber nicht erledigt. Denn neben der erheblichen Geldstrafe – mehr als ein halbes Jahresgehalt – wartet nun auch noch ein Disziplinarverfahren auf ihn. Das Büro des Wehrbeauftragten sieht darin einen Einzelfall – "der Hauptfeldwebel, der die Rekruten schleift", komme heute nur ganz selten noch vor, sagt Pressesprecher Cornelius Kunz. Was nicht ausschließt, dass auch in den Büros der Bundeswehr massives Mobbing möglich ist.
Zuletzt geändert am: Jun 01 2015 um 6:58 PM
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