Die Firma Bahlsen war weit enger mit dem Nazi-Regime verstrickt als bisher bekannt. Das Keksunternehmen hatte zwar nicht abgestritten, im Zweiten Weltkrieg vom Einsatz von Zwangsarbeiterinnen profitiert zu haben. In der Firmenchronik von Bahlsen zu seinem 135-jährigen Bestehen im Jahr 2014, die das Unternehmen inzwischen von seiner Website gelöscht hat (
und die wir hier wieder veröffentlichen
), behauptete Bahlsen aber über Zwangsarbeiterinnen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs:
Die gleiche Bezahlung wie deutsche Arbeiter war selbstverständlich und die gute Behandlung führte dazu, dass sie sich am Ende des Krieges gemeinsam mit den deutschen Kollegen vor „ihr“ Werk stellten.
Das ist eine Lüge. Wie aus einem Brief von Werner Bahlsen an die SS-Führung in Kiew im Jahr 1942 hervorgeht,
den wir nach einer Recherche im Bundesarchiv veröffentlichen
, bezahlte Bahlsen die Zwangsarbeiterinnen aus der Sowjetunion besonders schlecht. Nach Vorgaben der Gestapo mussten die Frauen aus der Ukraine unter besonders harschen Bedingungen arbeiten. Sie wurden noch schlechter als Zwangsarbeiterinnen aus anderen Ländern bezahlt, die wiederum schlechter als deutsche Arbeiterinnen bezahlt wurden.
Werner Bahlsen beschreibt in seinem Brief, dass Bahlsen die Ukrainerinnen offenbar aus einer Keksfabrik verschleppte, die das Unternehmen in Kiew betrieb. Von 1.500 dort beschäftigten Männern und Frauen seien bis August des Jahres 74 Personen nach Hannover geschickt worden – offenbar in einem Viehtransport, wie
frühere Recherchen von FragDenStaat
zeigen. Gegenüber der SS beschreibt Bahlsen dies so:
Zum größten Teil sind die Ukrainerinnen gerne abgefahren, da die Schwierigkeiten in Kiew immer noch sehr gross sind und in ihnen durch gute und geschickte Propaganda der Wunsch hervorgerufen wurde, Deutschland und deutsche Arbeitsmethoden kennenzulernen.
Mit Eintreffen in Deutschland hätten die Zwangsarbeiterinnen dann allerdings gemerkt, dass sie rund um die Uhr bewacht, schlechter verpflegt und schlechter bezahlt würden als die anderen dort Beschäftigten. Bahlsen plädierte gegenüber der SS dafür, dass die Ukrainerinnen, die noch „100%-ig zu gebrauchen“ seien, wie polnische Zwangsarbeiterinnen bezahlt werden sollten.
Gute Kontakte zur SS
Dabei versuchte Bahlsen offenbar, seine guten Kontakte zur SS zu nutzen.
Wie aus einem weiteren Dokument hervorgeht
, war Bahlsen als Rüstungsbetrieb besonders gut mit der Naziführung vernetzt. Auch der
Spiegel berichtet über SS-Verbindungen
der Bahlsen-Brüder. So geht aus einem Bericht des SS-Stabsarztes Karl Fahrenkamp –
einem Vertrauten von SS-Reichsführer Heinrich Himmler
– hervor, dass Firmenleiter Hans Bahlsen gemeinsam mit der SS die Versorgung der Luftwaffe mit Fruchtpasteten plante. „Alles ist mit Herrn Hans Bahlsen und SS-Untersturmführer Weller in meiner Gegenwart in den Vierjahreszeiten schon vorsorglich besprochen“, heißt es darin. Fahrenkamp profitierte von seinen wirtschaftlichen Kontakten und baute sich ein großes Vermögen auf, dass seine Familie auch nach dem Zweiten Weltkrieg behielt.
Nur in einem weiteren Punkt hat sich Bahlsen offenbar nichts vorzuwerfen: Die Prüfberichte zur Wasserqualität auf dem Bahlsen-Gelände aus den 1940er-Jahren,
die noch im Bundesarchiv vorhanden sind
, zeigen, dass es zumindest in diesem Bereich keine Probleme gab. Offenbar war das Wasser das einzige an Bahlsen, das sauber war.
zu den Dokumenten:
â–º Bahlsen-Bericht zu Zwangsarbeiterinnen an die SS
â–º SS-Korrespondenz zu Kosmetika und Bahlsen
â–º Untersuchungen von Wasser-, Boden- und Luftproben - Bahlsen
