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"Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor"

Veröffentlicht von Friedensrat (admin) am Aug 14 2014
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Krieg in Gaza, der Ukraine und im Irak: Waffen! Waffen! Waffen!

Eine Kolumne von

 

Ukraine, Gaza, Irak: Jeder weiß, Gewalt wird die Probleme dort nicht lösen. Dennoch findet die Gewalt kein Ende - und auf die eine oder andere Weise mischt Deutschland überall mit. Eine neue Kultur des Krieges breitet sich aus. Wir müssen uns ihr entgegenstellen.

Es herrscht Krieg. Niemals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs traf das mehr zu als heute. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung zählt mehr bewaffnete Konflikte denn je. Eine neue Kultur des Krieges ist auf dem Vormarsch. Auch Deutschland soll die Bomben wieder lieben lernen. Politiker und Medien wollen den Deutschen ihren Pazifismus abgewöhnen. Wer Gewaltlosigkeit predigt wie Margot Käßmann wird zur lächerlichen Figur gemacht. Wir müssen dem Einhalt gebieten. Die Zyniker, die nur noch den Krieg denken können, nicht mehr den Frieden, haben den Kampf um unsere Köpfe begonnen.

 

 
 

Deutschland soll eine neue Rolle in der Welt spielen. Der Bundespräsident sagt das, die Verteidigungsministerin und der Außenminister auch. Viele Zeitungen schließen sich an. Wie soll diese Rolle aussehen? Etwa so: In Kiew unterstützen wir eine Regierung, die ihre eigene Bevölkerung beschießen lässt. An Israel liefern wir Panzerfäuste und atomwaffenfähige U-Boote, während der Chef der UNO in Verbindung mit den Angriffen auf Gaza von "Verbrechen" spricht. Und nun will Deutschland sich militärisch im Irak engagieren. "Bis an die Grenzen des politisch und rechtlich Machbaren", sagt Frank-Walter Steinmeier. Wenn es gilt "einen Genozid zu verhindern" vielleicht auch darüber hinaus, deutet Ursula von der Leyen an.

Sicher, überall geht es den Deutschen um den guten Zweck. Hat nicht die ukrainische Regierung jedes Recht, sich gegen die Separatisten zu wehren? Hat Deutschland nicht eine historische Schuld gegenüber Israel? Können wir denn tatenlos zusehen, wie die Jesiden im Hochland verdursten? "Nun, was Gewissen gilt: - gut sind die Waffen / Ist nur die Absicht, die sie führt, gerecht", sagt Harry Hotspur bei Shakespeare. Wem immerzu der Zweck die Mittel heiligt, der wird bald bereit sein, jedes Mittel einzusetzen, um seinen Zweck zu erreichen.

In der ARD sagte Cem Özdemir gerade, die kurdischen Peschmerga-Kämpfer hätten bereits Tausenden von Jesiden das Leben gerettet: "Das haben sie nicht mit der Yogamatte unterm Arm gemacht, sondern mit Waffen." Über wen macht sich der Chef der Grünen da lustig? Offenbar über alle Menschen, denen beim Thema Konfliktlösung nicht zuerst der Griff zum M16 einfällt. Die Grünen waren einmal eine Partei, die sehr gewissenhaft über die Ethik des Handelns und des Unterlassens gerungen hat. Jetzt, 22 Jahre nach dem Tod Petra Kellys, hat Özdemir offenbar die Antwort gefunden: Man muss nur die richtigen Leute ausreichend bewaffnen, und der Frieden wird sich von selbst einstellen. Da hätte man sich viel Streit sparen können: So denken die Amerikaner schon immer über den Waffengebrauch.

Schöpfer einer neuen Friedenspolitik

Dass die Menschen aus der Geschichte nichts lernen, ist bekannt. Aber es ist erschütternd, wie kurz ihr Gedächtnis ist. Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann war einer der ersten, die sich für eine Bewaffnung der Kurden gegen die IS-Dschihadisten ausgesprochen haben. Er nannte die Kurden eine "westlich orientierte Ordnungsmacht". So ähnlich dachten die Amerikaner von den afghanischen Mudschaheddin, als sie ihnen Stinger-Raketen für den Kampf gegen die Russen lieferten. Wellmanns "Ordnungsmacht" vergrößert jetzt erst mal den eigenen Einflussbereich: Anfang Juli besetzten die Kurden die Ölstadt Kirkuk. Weiß Wellmann, was sie mit den Waffen anfangen, die sie jetzt bekommen sollen? Anders als Joghurtbecher tragen Sturmgewehre kein Verfallsdatum.

Und was ist mit Srebrenica, mit Ruanda oder eben jetzt mit den leidenden Jesiden? Dazu hat die frühere Bischöfin Margot Käßmann im SPIEGEL alles gesagt: "Es ist interessant, dass Sie immer vom Ende her denken, wenn es keine gewaltfreie Lösung mehr zu geben scheint. Heute existieren viele Friedensforschungsinstitute, die Strategien entwickelt haben, um Konflikte zu vermeiden oder zu schlichten. Aber am Willen hapert es. Das sehen Sie schon daran, dass Deutschland pro Jahr über 30 Milliarden Euro für Militär ausgibt, aber nur 29 Millionen für den Friedensdienst."

"Friedensdienst" - wer dieses Wort nur nutzt, muss mit dem Yogamatten-Spott der Hartleibigen rechnen. Jan Fleischhauer warf Margot Käßmann gar vor, selbst ihr als Theologin gehe das Verständnis für das "Böse" ab. Dabei wissen wir seit den Experimenten von Stanley Milgram und Philip Zimbardo, dass das "Böse" eine Frage der Umstände ist. Milgram ließ seine Probanden dazu verleiten, einem Wehrlosen scheinbar schmerzhafte Stromschläge zu verabreichen. Zimbardo sperrte im Stanford Prison Experiment Studenten als Gefangene ein. Andere machte er zu Wärtern - von denen manche sich umgehend in Sadisten verwandelten.

Wir Deutschen wussten von der Verführbarkeit zum Bösen auch ohne diese Experimente.

"Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor"

 

Ja, man muss den Jesiden jetzt helfen. Aber ihr Verfolger, die neue Lichtgestalt des islamistischen Terrors Abu Bakr al-Baghdadi, ist - ebenso wie sein Vorgänger Osama Bin Laden - ein Geschöpf der verheerenden amerikanischen Nahost-Politik. Wo beginnt die "Verantwortung", von der jetzt immer die Rede ist?

Ukraine, Gaza, Irak - niemand glaubt, dass Gewalt die Probleme in diesen Gegenden lösen wird. Die militärischen Interventionen des Westens sind nicht nur die Kapitulation der praktischen Politik, sondern auch die der politischen Fantasie. Deutschland will einen Beitrag leisten in der Welt? Dann sollte es zum Schöpfer einer neuen Friedenspolitik werden. Wir sollten aufhören, über den "gerechten Krieg" zu streiten - und lieber nach dem gerechten Frieden streben.

"Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor." Das war immer eine gefährliche, unsinnige Lehre. Es wird Zeit, die alten Römer hinter sich zu lassen. Es gibt eine Alternative. Sie lautet: "Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor."

Zuletzt geändert am: Aug 14 2014 um 3:45 PM

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