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De Maiziaire: Soldaten geradezu süchtig nach Anerkennung.

Veröffentlicht von Friedensrat (admin) am Mar 01 2013
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>  Thomas de Maizière im Gespräch „Giert nicht nach Anerkennung!“

24.02.2013 ·  Der Verteidigungsminister spricht in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über das Ansehen der Truppe, Liebe in der Ehe und Langeweile im Job. De Maizière kritisiert, Soldaten seien „geradezu süchtig“ nach Anerkennung.

Soldaten klagen oft, niemand interessiere sich für ihren harten Job, in dem sie ihr Leben in Afghanistan riskierten. Fehlt der öffentliche Zuspruch für die Bundeswehr, Herr de Maizière?


 

 


Ich habe lange so gedacht und so geredet. Inzwischen sehe ich das anders. Durch den Einsatz in Afghanistan ist die öffentliche Zuwendung zu den Soldaten und zur Bundeswehr deutlich größer geworden.

Zuwendung? Der Afghanistan-Einsatz ist doch in der Gesellschaft höchst umstritten.

Der Einsatz schon. Aber die Anerkennung dessen, was Soldaten tun, hat zugenommen. Es gibt zum Beispiel in den Medien große Artikel darüber, wie sich Soldaten im Auslandseinsatz und danach fühlen oder wie es ihren Angehörigen damit geht. Das war auch mehrfach Thema des „Tatort“, es gibt Spielfilme, Dokumentationen, sogar Romane. Das alles wird nicht aus Nächstenliebe gemacht, sondern weil die Bevölkerung sich dafür interessiert.

Soldat sein zählt wieder was?

Es gibt jedenfalls kaum noch aggressive Reaktionen, etwa Sprüche wie „Soldaten sind Mörder“. Die Justiz ist nur noch selten mit Klagen wegen der Beleidigung von Soldaten befasst. Aus dem „freundlichen Desinteresse“, wie es der frühere Bundespräsident Horst Köhler mal nannte, ist längst freundliches Interesse an der Bundeswehr geworden.

Woraus schließen Sie das?

Das zeigen Studien und Umfragen. Eine ging der Frage nach: Wer wird als guter Arbeitgeber gesehen? Da gab es Telekom, BMW, SAP, Polizei und so weiter. Die Bundeswehr kam auf Platz drei. Bei einer anderen Studie zur Wertschätzung von Institutionen sind Polizei und Justiz hoch angesehen, Politik und Journalismus stets schlecht. Auch da ist die Bundeswehr unter den besten fünf. Genau so ist es mit Erhebungen, die nach dem Ansehen von Berufen fragen. Der Offizier ist unter den ersten zehn beliebtesten Berufen. Was will man eigentlich mehr?

Sind die Soldaten also weinerlich?

Nein. Etliche Soldaten glauben jedoch, dass sie viel weniger anerkannt werden, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Sie haben den verständlichen, aber oft übertriebenen Wunsch nach Wertschätzung. Sie sind vielleicht geradezu süchtig danach.
Was sagen Sie denen?

Ich sage den Soldaten: Hört einfach auf, dauernd nach Anerkennung zu gieren. Die Wertschätzung anderer bekommt man nicht dadurch, dass man danach fragt, sondern dass man gute Arbeit leistet. Wenn unter Eheleuten ein Partner den anderen fünfmal am Tag fragt, ob er ihn noch liebt, erhöht das nicht die Liebe. Auch ein Lob wirkt, wenn es selten ausgesprochen wird, viel stärker.

Da Sie gerade von Eheleuten sprechen. Ihre Frau hat uns in einem Interview gesagt, sogar die Kinder von Soldaten verschwiegen in der Schule, dass der Vater im Auslandseinsatz sei, weil sie Angst vor dummen Sprüchen hätten. Wer hat jetzt recht im Hause de Maizière: Ihre Frau oder Sie?

Wir reden über diese scheinbar sich widersprechenden Phänomene. Grund dafür ist aber meistens nicht Ablehnung dessen, was die Soldaten tun, sondern Unkenntnis. Es scheint so zu sein, dass die Deutschen sich dem Individuum Soldat zuwenden, dem Bereich Militär gegenüber jedoch sehr verhalten sind.

Wird die Entscheidung für den Soldatenberuf so wie bei anderen Tätigkeiten getroffen: Was gibt es für ein Angebot? Ist das ein stabiler Job? Wie viel Kohle gibt es?

Beim Einstieg in den Beruf mag es so sein. Deswegen sind auch ein gutes Gehalt und Aufstiegschancen wichtig. Wenn man dann Soldat ist, wird es anders. Denn dann kommt etwas dazu, das altmodisch klingt, es aber nicht ist: Kameradschaft. Das ist etwas anderes als Teamgeist. Dass ein Rekrut, ein Feldwebel und ein General sich zusammen und gemeinsam als Soldaten empfinden, dass auf der Patrouillenfahrt in Afghanistan unter hoher Gefahr formale Dienstgrade praktisch keine Rolle mehr spielen, diese Form von Zusammengehörigkeit gibt es in keinem anderen Beruf.

Die Soldaten haben im Auslandseinsatz Computerprogramme, die täglich ausrechnen, wie lange es noch dauert, wie viel Auslandszulage, wie viel Sonderurlaub sie schon zusammenhaben. Manchmal entblättert sich dabei eine junge Frau, bis sie am Ende des Einsatzes nackt auf dem Bildschirm steht. Geht es nicht doch mehr ums Verdienen als ums Dienen?

Nur mit Dienen, nur mit Appellen an den Patriotismus geht es nicht. Dann bekommen Sie keine guten Leute. Nur mit Verdienen geht es aber auch nicht. Sicher gibt es in der Bundeswehr wie in der ganzen Gesellschaft ein starkes Augenmerk darauf, was einem unmittelbar guttut. Es gibt ja eine nicht endende Diskussion darüber, wer welche Zulagen bekommt. Und natürlich können die Arbeits- und Unterkunftsbedingungen in Mali oder in Sudan nicht die gleichen sein wie in einer gut ausgebauten Kaserne in Deutschland - auch das muss ich Soldaten manchmal sagen. Es gibt da in der Tat manchmal eine zu anspruchsvolle Grundhaltung. Aber entscheidend ist: Wenn es ernst wird, verhalten sich alle hochprofessionell, nüchtern, nicht kriegslüstern.

Die Einsatzwirklichkeit von 80 bis 90 Prozent der Bundeswehrsoldaten ist ja selbst in Afghanistan von einem Krieg weit entfernt.

Das ist so. Einsätze sind sehr unterschiedlich. Das Bekämpfen von Piraten am Horn von Afrika geschieht zwar weit weg von zu Hause, ist in der Regel aber nicht übermäßig gefährlich. Das Beschützen eines orthodoxen Klosters im Kosovo vor Übergriffen von Muslimen ist im Alltag langweilige Routine, aber trotzdem notwendig. Das tägliche Beraten eines afghanischen Brigadekommandeurs in seinem Standort ist intellektuell herausfordernd, aber wahrscheinlich ziemlich gefährlich. Sogar innerhalb des Afghanistan-Einsatzes gibt es sehr unterschiedliche Aufgaben.
Wie sehr prägt Langeweile den militärischen Alltag?

Natürlich sollte es die im Dienst nicht geben. Aber zum Soldatenberuf gehört zum Beispiel die Abschreckung durch Präsenz. Patrouillenfahrten, Wacheschieben. Das ist häufig mit Routine verbunden. Da kann Langeweile aufkommen. Das ist dann Teil der Arbeit.

Langeweile gibt es in anderen Jobs auch.

Ja. Als ich überlegte, welchen Beruf ich ergreifen will, hat mein Vater mir gesagt: Achtzig Prozent jedes Berufes seien durch Langeweile geprägt. Ich solle mir meinen Beruf also nach den verbleibenden zwanzig Prozent aussuchen.

Sie sagen, es gebe Wertschätzung für das, was die Bundeswehr tut. Woran liegt es denn, dass die Soldaten das nicht erkennen?

Genau kann ich Ihnen das auch nicht sagen. Vielleicht liegt es daran, dass sie auch unangenehme Dinge tun müssen, wie Menschen bedrohen, verletzen oder gar töten, und denken, dass sie deswegen nicht gemocht werden.

Das Gieren nach Anerkennung könnte ja damit zusammenhängen, dass die Bundeswehr sich abgekoppelt fühlt von der Gesellschaft. Manche sagen, die Abschaffung der Wehrpflicht habe das noch verstärkt.

Das habe ich auch lange so gesehen. Inzwischen habe ich meine Meinung geändert. Im Kalten Krieg hieß Wehrdienst: erst eine harte Grundausbildung und dann meist monatelanger Gammeldienst. Das hat doch nicht die Verankerung der Streitkräfte in der Gesellschaft verstärkt. Die Wahrnehmung der Bundeswehr hat nichts damit zu tun, ob es die Wehrpflicht noch gibt oder nicht, sondern vielmehr mit den Einsätzen und was über sie berichtet wird.

Ist die Bundeswehr in die Gesellschaft integriert?

Ja, und zwar schon längst. Die Bundeswehr muss ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft erhalten, aber man muss sie dort nicht mehr hinführen.

Sie klagen auch über die unklare Sprache der Soldaten.

Wir leben in einer zutiefst pazifistischen Gesellschaft mit einer Grundskepsis gegenüber allem Militärischen. Ist ja auch verständlich angesichts unserer Vergangenheit. Daraus ist die Versuchung entstanden, militärische Dinge zwar zu tun, aber sie nicht so zu beschreiben, wie sie sind. Da werden ,Wirkmittel eingebracht’, wo es darum geht, dass mit Waffen geschossen und getroffen wird. Ich füge aber hinzu: Wir sollten umgekehrt auch nicht in eine übertriebene Kriegssprache verfallen.

Und niemand spricht die Wahrheit deutlich aus?

Doch. Der Erste, der offen gesagt hat, dass Sterben und Töten zum Einsatz dazugehören, war übrigens kein Soldat, kein Verteidigungsminister. Es war der katholische Militärbischof.

Das Gespräch führten Eckart Lohse und Markus Wehner.

Quelle: F.A.S.

Zuletzt geändert am: Mar 06 2013 um 2:35 PM

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